Der Kampf der Halblinge: Roman (German Edition)
versöhnliche Wirkung auf Enna, doch schuf der nachlassende Zorn auch Raum für neue Gedanken. Enna kniff die Augen zusammen und seufzte. Sicher führte mehr als nur ein Weg über die mit Wolken verhangenen Berge hinweg. Ich muss es versuchen. Immer wieder schoss ihr dieser Gedanke durch den Kopf und ließ sie nicht mehr los.
Plötzlich hörte sie ein Knacken, jemand oder etwas war auf einen Ast getreten. Enna richtete sich auf und starrte in das kleine Wäldchen hinter den Sträuchern. Doch sie konnte nichts erkennen. Erneut raschelte es, irgendetwas näherte sich.
»Da bist du ja.«
Kurz zuckte Enna zusammen, obwohl sie die Stimme erkannte. »Elvor!«
Schon schlüpfte der Halbling unter einem tief hängenden Ast hervor, und Enna atmete erleichtert aus. Elvor setzte sich neben sie ins Gras. »Das war aber nicht sehr nett von dir.«
Schon wieder stieg Ärger in Enna hoch. »Manchmal glaube ich, denen ist gar nicht bewusst, was auf unser Heimatland zukommt.«
»Das meinte ich nicht«, entgegnete Elvor.
Irritiert sah sie ihn an. Elvor deutete auf die Erdbeersträucher. »Nicht eine einzige hast du übrig gelassen.«
Enna schnaubte wütend, doch dann musste sie lachen. »Hätte ich gewusst, dass du kommst, ich hätte eine oder vielleicht auch zwei der kleineren für dich hängen lassen.«
»Warum glaube ich dir das bloß nicht?« Elvor schmunzelte, doch Enna wurde wieder ernst. »Nun stell dir mal vor, ich bin eine Erinyen-Armee und das da«, sie deutete auf die Beerensträucher, »das sind wir.«
»Enna, die Geißelträgerin«, überlegte Elvor laut und strich sich nachdenklich übers Kinn, »ja, ich denke, das würde dir stehen. Nur, ob du jemals passende Lederstiefel für deine riesigen Pelzfüße finden würdest, das wiederum wage ich zu bezweifeln.«
Enna rupfte ein dickes Grasbüschel heraus und schlug damit nach Elvor, der versuchte, sein Gesicht mit den Armen zu schützen. Es gelang ihm nicht, doch zu seinem Glück stellte Enna ihre Attacke gleich wieder ein.
Mit einer übertriebenen Handbewegung fuhr sich Elvor durch seine schwarze Lockenpracht. »Ich mag zwar einer der bestaussehenden und witzigsten Halblinge von ganz Westendtal sein, aber, Enna, ich bin deshalb nicht dumm. Ich weiß, was du meinst.«
Ennas Mundwinkel zuckten, doch sie ging nicht weiter darauf ein, auch wenn sie zugeben musste, dass sie seine Sprüche mittlerweile nicht mehr ganz so lästig fand wie noch vor einigen Tagen. Stattdessen wartete sie ab, denn ein ernster Ausdruck schlich sich in Elvors Gesicht. Offenbar hatte er noch mehr zu sagen.
»Als du vorgeschlagen hast, die Drachen zu suchen, habe ich kurz darüber nachgedacht, dich zu begleiten. Der Gedanke, mit dir zu gehen und mich an deiner Seite zu beweisen, gefiel mir.« Elvor lächelte, und Enna sah ihn verwundert an.
»Aber du hast es dir anders überlegt, richtig?«
Er nickte. »Würde ich hinter die Suravan-Berge ziehen, würde ich das Gleiche tun wie Bronn damals, vor langer Zeit. Doch genau das will ich nicht, denn damit wäre ich wie er. Ich für meinen Teil bin zu dem Entschluss gekommen, zu Hause mehr tun zu können als hier draußen, irgendwo in Arbor. Ich glaube, wir gehören nach Westendtal. Das ist unsere Heimat und die müssen wir verteidigen, oder«, er zögerte kurz und blickte auf seine Füße, »oder eben dort sterben.«
»Ich hoffe doch, es ist nicht der Heldentod, den du anstrebst?« Enna machte sich Sorgen um Elvor, denn seine Wandlung war ihr nicht ganz geheuer.
»Nein, ganz bestimmt nicht«, versicherte er und spielte an dem Erdbeerstrauch herum, als suche er noch nach einigen der süßen Früchte.
»Und was ist mit Bronn?«, wollte Enna schließlich wissen.
Elvor zuckte mit den Schultern. »Bronn ist mir egal.«
»Wirklich?«
»Ja! Ich muss meinen eigenen Weg gehen.«
»Dennoch solltest du mit ihm sprechen«, riet Enna. Sie hatte mitbekommen, wie Bronn vergeblich versucht hatte, mit seinem Enkel zu reden. »Du weißt, wie Jorim und ich unsere Eltern verloren haben«, sagte sie.
»Bei einem Feuer, ja. Aber was hat das mit mir und Bronn zu tun?« Elvor blickte Enna fragend an.
»Ich hatte mich vorher mit meinem Vater zerstritten. Deshalb bin ich voller Wut hinausgelaufen, um Jorim zu suchen. Ihm habe ich von unserem Streit erzählt. Jorim hat mir geraten, mit Vater zu sprechen, da er ja meist ein recht versöhnlicher Halbling war.«
»Und, hast du mit ihm gesprochen?«
»Nein.« Enna seufzte und starrte auf ihre Füße. »Ich war zu
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