Der Kampf der Halblinge: Roman (German Edition)
einfach ein wenig Zeit zum Nachdenken«, sagte Elvor, und seine Stimme hatte sogar einen versöhnlichen Unterton angenommen. Jorim zog die Augenbrauen zusammen und musterte den anderen Halbling. Elvors Rat zum Trotz spielte er kurz mit dem Gedanken, Enna zu suchen, beschloss dann aber abzuwarten, bis das Mittagessen fertig wäre, denn so hätte er zumindest eine gute Nachricht zu überbringen.
Tatsächlich war es Jul, Rimen und Pim gelungen, einige Fische zu fangen. Bis Jul diese allerdings zubereitet hatte, hatte die Sonne den Zenit bereits überschritten. Doch dann endlich lag der Duft von Juls intensiver Kräutermarinade in der Luft, und so manch ein Halblingsherz schlug augenblicklich höher.
Jorim sprang auf, da Enna noch immer nicht zurück war, und ließ sich von Elvor erklären, wo er sie fände. Sofort eilte er los, um seine Schwester zu suchen. Er folgte Elvors Wegbeschreibung, bog um ein Gebüsch, stapfte weiter zum Rand eines kleinen Wäldchens und suchte nach Erdbeersträuchern. Du musst nur den Strauch suchen, an dem keine Beeren mehr hängen , hatte Elvor gesagt. Suchend wandte Jorim sich nach allen Seiten um. Doch Enna war nirgends zu sehen, also ging er weiter.
Schließlich bog er um eine Hecke. Als er eine Stelle mit niedergedrücktem Gras sowie einige leere Erdbeersträucher, aber keine Spur von Enna entdeckte, durchfuhr ihn ein eisiger Schrecken.
»Enna!«, rief er laut. Er drehte sich im Kreis, blickte hierhin und dorthin, doch seine Schwester konnte er nirgends sehen.
»Enna!« Er rannte weiter, suchte panisch alles ab, spähte unter jeden Ast und in jedes Gebüsch. Nichts! Enna war verschwunden!
»Vermaledeiter Borkenmist!« Wütend stampfte er auf und rannte zurück zum Lager.
»Enna ist weg!«, schrie er, als er die anderen erreichte. »Sie ist …« Die Worte blieben ihm im Halse stecken, als er sah, wie seine Schwester neben Ambrin und Talegrin saß und genüsslich in ein Stück Fisch biss.
»Wo warst du nur so lange?«, fragte Jul. »Es ist fast nichts mehr übrig.«
Jorim stemmte die Hände in die Hüften. »Beim Barte aller Holzwürmer, ich dachte, du … ach was«, er winkte ab, »her mit dem Fisch, und zwar alles, was noch da ist.«
Er warf Enna einen finsteren Blick zu, doch seine Schwester lächelte nur. Jorim hatte den Eindruck, dass der Schalk, der sonst in ihren Augen blitzte, dieses Mal fehlte. Allerdings mochte er sich in seinem Ärger auch täuschen.
So machte er sich schließlich daran, seinen hungrigen Magen zu füllen, und tatsächlich wurde seine Laune mit jedem Bissen besser.
»Vorzüglich«, rief Pim, packte den Fisch mit seinen breiten Händen und biss herzhaft hinein. »Allerdings fehlt da ein wenig Pfeffer«, stellte er dann fest und musste lachen.
»Unter den gegebenen Umständen sei dies dem Koch verziehen«, entgegnete Talegrin.
Während Jorim sich das Essen schmecken ließ, schweifte sein Blick über Bronns Truppe, und ihm fiel zum ersten Mal richtig auf, welch betagter Haufen dies doch war. Zwar hatten sie sich größtenteils von Schweiß, Schmutz und Minenstaub befreit, doch diese Reinigung hatte keineswegs auch nur den Ansatz jugendlicher Frische hervorgezaubert. Im Gegenteil, Jorim schien es, dass dadurch nur noch mehr Falten zum Vorschein gekommen waren, die Haare waren ohne Staub genauso grau wie mit, und so manch einer der einstigen Helden focht dank fehlender Zähne einen erbitterten Kampf mit Juls mariniertem, aber doch rohem Fisch aus. Wie Jorim zudem bemerkte, wuchsen jedem dieser Halblinge auch auf den Füßen graue Haare – ein untrügliches Zeichen dafür, dass sie mindestens hundertzwanzig Sommer gesehen haben mussten. Bronn stellte da keine Ausnahme dar und hätte sogar Elvors Urgroßvater sein können.
Wenn er es recht bedachte, konnte er Ennas Sichtweise verstehen. Dennoch hielt er es nach wie vor für richtig, zurückzugehen und mit den Vorbereitungen zu beginnen, anstatt durch die Berge zu stolpern und auf gut Glück nach Drachen zu suchen.
Als sie nach der Rast weitermarschierten, wurde es zunehmend schwül, und die bedrohlichen Gewitterwolken verstärkten das mulmige Gefühl in Jorims Bauch.
Tatsächlich erhob sich am Nachmittag ein schwerer Sturm. Blitze zuckten über den Suravan-Bergen herab, und schon bald stürzten wahre Fluten vom Himmel und machten ein Weiterkommen unmöglich. Schließlich hielt die Gruppe in einer Senke an, wo sie in einem Dickicht Zuflucht suchte. Das Gewitter, das ihnen auch noch Hagel bescherte,
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