Der Kampf der Insekten
Gedanken nachzugeben.
Virho beugte sich über das Feldbett und fragte: »Warum wurden wir nicht gewarnt? Wenn das Programm sofort abgebrochen würde, wäre es vielleicht noch nicht zu spät!«
»Seien Sie kein Dummkopf!« sagte Chen Lu. »Meine Behörde hat immer wieder gewarnt. Vor zwei Jahren übergaben wir der brasilianischen Regierung einen dreihundert Seiten umfassenden Bericht, der die chinesischen Erfahrungen analysierte und die Gefahr einer ähnlichen Entwicklung in Brasilien aufzeigte. Der Bericht wurde nie veröffentlicht. Wahrscheinlich verstaubt er im Tresor irgendeines Ministers. Die einzige Reaktion war, daß man die Arbeit unserer Behörde behinderte und mir zu verstehen gab, daß man alles, was über eine bloße Beobachterrolle hinausginge, als eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten dieses Landes ansehen würde. Man hat uns einen Maulkorb verpaßt. Ich spreche nur darüber, weil ich sterben werde und weil keiner von Ihnen mich lange überleben wird. Es ist wie überall. Einseitige Interessen von Wirtschaftlern und engstirnigen Technokraten dominieren, die Vernunft unterliegt. Und die Chemiekonzerne der Imperialisten machen Milliardengeschäfte damit! In ihren eigenen Ländern sind sie vorsichtig geworden. Man hat aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt, hat Gesetze gemacht, die das ökologische Gleichgewicht vor allzu brutalen Eingriffen schützen sollen. Zugleich aber ermutigt man die Dritte Welt, ihre Ernährungsprobleme mit Programmen wie diesem zu lösen. Was kümmert sie, ob es hilft? Sie sehen auf ihren Gewinn.« Er zog eine schmerzliche Grimasse, drehte seinen Kopf ein wenig zur Seite, um Joao anzusehen. »Wollen Sie wissen, was ich in Ihren grünen Zonen beobachtet habe? Ich sehe die gleichen Zeichen, die ich vor zehn, fünfzehn Jahren in China gesehen habe: kleinere Früchte, geringere Ernten. Kleinere Blätter. Schwächere, blassere Pflanzen. Zuerst geht es langsam, aber in ein paar Jahren wird jeder es sehen. Woran liegt es? Die Antwort ist einfach. Nicht so sehr an mangelnder Bestäubung durch fliegende Insekten, obwohl auch das eine Rolle spielen mag. Schuld ist die chemische Vergiftung des Bodens, die Vernichtung der bodenbewohnenden Insekten, der Regenwürmer und Bodenbakterien, die natürliche Zersetzungs- und Umwandlungsprozesse besorgen, ohne die der Pflanzenwelt lebenswichtige Nährstoffe vorenthalten werden. Diese Funktionen sind nicht durch Kunstdünger zu ersetzen.«
»Wenn alle es bald sehen werden«, sagte Virho, »dann wird die Regierung vielleicht aufhören, bevor es zu spät ist.«
Das ist dummes Zeug, dachte Joao. Wer hört schon auf, bevor es zu spät ist?
»Sie sind naiv, lieber Freund«, sagte Chen Lu. »Ihre Regierung ist in diesem Punkt wie die meine. Sie hört auf wirtschaftliche und technologische Argumente, sie denkt politisch und sieht nichts als ihr eigenes Überleben. Sie wird nichts sehen und nichts sehen wollen, bis es zu spät sein wird. So ist es immer mit Regierungen.«
Joao wunderte sich, warum es im Zelt so dunkel wurde, nachdem es so hell gewesen war. Er schwitzte, und in seinem Kopf wirbelte es, als ob er zuviel getrunken hätte. Eine Hand berührte seine Schulter. Er blickte sie an, blickte den Arm an, der die Hand trug, sah ein Gesicht: Rhin. Sie hatte Tränen in den Augen.
»Joao … Senhor Martinho, ich bin so dumm gewesen«, sagte sie. »Ihre Leute haben mir das Skelett und die Kleider aus Ihrer Maschine gezeigt Ich weiß jetzt, daß die Gestalten, die wir am Waldrand gesehen haben, wie dieser Indio Nachahmungen durch Insektenorganisationen waren. Es tut mir leid, daß ich Sie für einen Verräter gehalten habe.«
Was für eine komische Person, diese Rhin Kelly, dachte Joao. Was für ein komisches Zelt, dessen Firststange plötzlich vor mir ist, statt über mir.
Etwas schlug gegen seinen Rücken und Hinterkopf.
Ich bin gefallen, dachte er. Ist das nicht seltsam?
Es gab einen Traum, in dem Rhin sich über ihn beugte und sagte. »Was macht es schon für einen Unterschied, wer die Befehle gibt?« Und in dem Traum konnte er nur einen zornigen Blick auf sie richten und denken, wie hassenswert sie aussah – trotz ihrer Schönheit.
Jemand sagte: »Das macht jetzt auch nichts. Wir werden sowieso bald tot sein.«
Und eine andere Stimme sagte: »Sieh mal, da ist ein Neuer. Der sieht wie Gabriel Martinho aus, der Präfekt.«
Joao fühlte sich in einen leeren Raum sinken, aber er hatte den Kommunikationsbildschirm in seinem
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