Der Kampf der Insekten
Schaukeln … langsamer … langsamer.
Joao schaltete die Zündung aus und saß mit angehaltenem Atem, wartete, daß die rechte Seite absackte.
Aber der geflickte Schwimmer hielt. Die Kapsel trieb, und sie blieb aufrecht.
»Haben wir es geschafft?« fragte Rhin. »Sind wir wirklich durchgekommen?«
»Es scheint so, nicht?« sagte Joao. Er verfluchte das Aufflackern von Hoffnung, das den kurzen Flug begleitet hatte.
»Oh, oh! Sehen Sie – das Lager!« rief Chen Lu entsetzt.
Joao warf sich in seinem Sitz herum, so weit die Gurte es zuließen, spähte zurück über Fluß und Savanne. Wo die Gruppe der gelben Zelte gestanden hatte, war jetzt ein grauer Hügel, der in seltsam brodelnder Bewegung zu sein schien, und in der stillen Abendluft darüber schwebte eine sich ständig verformende, dehnende und wieder zusammenziehende graue Wolke, sank auf das Lager herab, stieg wieder auf, tanzte und tanzte …
Millionen und Milliarden von Insekten. Joao schauderte.
Eine Strömung erfaßte die Kapsel, drehte sie herum und schob eine Baumkulisse vor die Fenster, als ob die Flußgeister ein Einsehen hätten und Joao von einem Anblick befreiten, den er nicht länger ertragen konnte. Ein paar Minuten schimmerte der Fluß vor ihm im Widerschein des dunstig orangerot und purpurn überhauchten Himmels, dann löschte die Tropennacht alles aus. Der Himmel wurde durchsichtiges Silber, in dem eine dünne Mondsichel schwamm.
Virho, dachte Joao. Ramon … Thome … Tatarana … Joca … Ze … Baldo …
Tränen brannten in seinen Augen.
»Lieber Gott!« sagte Rhin.
»Gott, hah!« schnaufte Chen Lu. »Nur ein anderer Name für die Bewegungen eines blinden Schicksals.«
Rhin vergrub ihr Gesicht in den Händen.
Joao schnallte sich mechanisch los. Ich hätte ihnen nicht helfen können, dachte er. Die Entfernung war zu groß.
7.
»Ihr sagtet, das Fahrzeug könne nicht fliegen!« klagte das Gehirn an.
Seine Sensoren beobachteten die Boteninsekten an der Höhlendecke, aber das Muster ihres Tanzes blieb unverändert, und kein Empfindungen übertragendes Summen fügte der Meldung etwas hinzu.
Das Fahrzeug flog eine kurze Strecke und landete auf dem Fluß. Es bleibt auf dem Fluß, und seine heulende Kraft schläft.
So hatte die Meldung gelautet. Aber es kann fliegen! dachte das Gehirn.
»Die Behauptung, daß das Fahrzeug nicht fliegen könne, kam direkt von den Menschen«, tanzten die Boten jetzt. »Ihre Einschätzung wurde von den Horchposten aufgenommen und weitergegeben.«
Es war eine pragmatische Feststellung, weniger eine Verteidigung gegen die Anklage des Gehirns als eine Vervollständigung der Meldung.
»Was ist gegen das Fahrzeug auf dem Fluß zu unternehmen?« fragten die Boten.
»Das Fahrzeug kann einstweilen seinen Weg fortsetzen«, sagte das Gehirn. »Es darf keine sichtbaren Zeichen von Bedrohung geben, aber das Fahrzeug muß ständig unter Bewachung bleiben. Ein Schwarm der neuen kleinen Kämpfer wird im Schutz der Dunkelheit das Fahrzeug anfliegen und sich dort verbergen. Sie müssen instruiert werden, das Fahrzeug durch jedes vorhandene Loch zu infiltrieren, ohne daß die Menschen es bemerken. Sie werden ohne Befehl nichts gegen die Insassen des Fahrzeugs unternehmen, aber sie müssen bereitstehen, die Menschen zu töten, wann immer dies notwendig werden sollte.«
Das Gehirn schwieg in der Gewißheit, daß seine Befehle ausgeführt würden. Bewußte Entscheidungen, dachte es, sind eine Strafe, die dem Einzel-Selbst vom Bewußtsein auferlegt wird. Wie können Menschen unter einer solchen Last von Entscheidungen existieren?
Chen Lu lehnte seinen Kopf zurück, versuchte es sich in der Ecke zwischen Seitenfenster und Rückwand einigermaßen bequem zu machen und starrte zur Melonenschnitte des Mondes hinauf, die sich langsam über den Himmel hob. Eine unregelmäßige Ätzspur, die aussah, als sei das Fenster entlang ihrer Linie beschlagen, lief diagonal über das Glas. Chen Lus Blick folgte ihr, und einen Moment lang, als er auf die Stelle starrte, wo das Fenster neben ihm endete, glaubte er eine Reihe von winzigen Punkten zu sehen, kleinen Ameisen oder Mücken gleich, die neben der Gummidichtung des Fensters über die weiße Farbe der Außenhaut marschierten.
Im nächsten Augenblick waren sie verschwunden.
Habe ich sie mir eingebildet? überlegte er.
Er dachte daran, die anderen aufmerksam zu machen, aber Rhin war wieder einem Nervenzusammenbruch nahe, seit sie den Tod des Lagers beobachtet hatte. Sie
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