Der Kampf um die Sieben Inseln
Erhängen verurteilt worden sei. Lord Nelson habe die Bitte um Erschießung abgelehnt und auch keine Berufung an ein britisches Gericht zugelassen. Die Hinrichtung wird sofort heute um zwei Uhr nachmittags auf der neapolitanischen Fregatte Minerva vollstreckt. Lord Nelson hat auch die Bitte des Gerichtsvorsitzenden um vierundzwanzig Stunden Pause abgelehnt.«
»Ist der Pfarrer des Flaggschiffs zuverlässig, Mr. Pater?«
»Absolut, Sir. Er würde sich lieber die Zunge abbeißen, als eine unbewiesene Behauptung verbreiten.«
»Warum ist sein Haß so maßlos?« sagte David in Gedanken.
»Große Männer sind oft auch groß in ihrer Schuld. Und sie quält ihn furchtbar. Es ist die Schuld gegenüber zwei Ehen, gegenüber dem Vaterland, weil er aus Wollust und Eitelkeit untätig war, schuldig vor brennendem Ehrgeiz, schuldig, weil er keinen Weg scheut, um der Hure Geld zu verschaffen. Schuldig, weil …«
»Mr. Pater, ich weiß nicht, wen Sie meinen. Aber ich weiß, daß wir das Gespräch abbrechen müssen. Ich danke Ihnen für Ihre Fürsorge für die Gefangenen und dafür, daß Sie mich benachrichtigten.«
Als David an Deck kam, hatte die Wache gerade begonnen, mit Handwaffen zu üben. Er trat an seine Seite des Achterdecks. Dann begrüßte er den wachhabenden Offizier und war nicht sehr erstaunt, daß auch der Reverend an Deck war. Er nahm sein Teleskop und suchte die Minerva.
Dort herrschte rege Geschäftigkeit. Seesoldaten nahmen Aufstellung. Die Mannschaft trat an. Ein Brett wurde in Höhe der Vorderrah über die Reling gelegt. Dann führten sie einen Mann mit verbundenen Augen auf das Brett. Eine Kanone wurde abgefeuert. Das Brett wurde zur Seite gestoßen. Der Körper pendelte und zuckte. Dann war er ruhig.
David nahm seinen Hut ab. Der Reverend faltete die Hände und betete.
David schrieb den Rest des Nachmittag an Britta, an Martin, Herzog von Chandos und Erster Seelord, und an Lord Spencer, Erster Lord der Admiralität. Immer wieder korrigierte er seinen Text. Er durfte keine Anklage gegen Nelson schreiben, keine Verdächtigungen äußern, sondern nur die Fakten sachlich anführen. Aber wer die Fakten las, mußte erkennen, wer sie zu verantworten hatte.
David gab immer wieder Mr. Ballaine, seinem vertrauten Sekretär, Seiten zum Kopieren. Dann ging er schlafen und befahl, ihn um halb fünf zu wecken.
Am Morgen näherte sich ein Boot der Thunderer und brachte einen an David adressierten Umschlag. Er las ihn in seiner Kajüte. Es war Hugh Kellys Bericht. Sachlich und schonungslos. Am Schluß war ein Absatz angefügt, der David den Atem verschlug. »Heute nacht erreichte Lord Nelson eine Botschaft des Oberkommandierenden Lord Keith vom 27. Juli, in der er aufgefordert wurde, mit den Schiffen seiner Flotte Menorca zu schützen. Lord Nelson hat es abgelehnt, dem Befehl Folge zu leisten, weil er den Schutz Neapels für wichtiger hält und er nicht in der Lage ist, die Seesoldaten, die Capua belagern sollen, so schnell zurückzuziehen.«
David schlug die Hand vor den Mund. Der Mann betrat ja den Weg der Meuterei. Fühlte er sich so unangreifbar, oder hatte er jeden Sinn für die Realität verloren? Ich muß hier weg aus Neapel, sagte er sich. Hier wird man vergiftet. Mit Ballaine verschloß er die Botschaften an Lord Spencer und an den Herzog von Chandos in Briefumschlägen für Britta. Das war unauffälliger. Sie würde sie weiterleiten. Dann ließ er das Signal setzen, das den Kommandanten der Falcon an Bord rief.
Als Mr. Ross erschien, wies er ihn an, diese Post in Palermo persönlich beim Vertreter des britischen Posthalters aufzugeben. Die Post für Ushakov und Harland übergab er getrennt und befahl, sofort abzusegeln. »Ich bin froh, wenn ich wieder auf See bin, Sir«, sagte Ross. »Nicht alles, was schön aussieht, hält, was es verspricht.«
David ließ sich zum Flaggschiff übersetzen und bat Lord Nelson um ein Gespräch. Der empfing ihn nach kurzer Zeit überaus freundlich und sagte: »Das muß Gedankenübertragung sein, Sir David. Ich wollte gerade um Ihren Besuch bitten, denn Sie könnten der Flotte einen großen Dienst erweisen.«
»Wenn es in meiner Macht steht, Mylord, selbstverständlich.«
»Ich bitte Sie, mit Ihrem Schiff in Richtung Leghorn (Livorno) aufzuklären. Lord Keith hat anscheinend den Kontakt zur französischen Flotte verloren. Sie wissen, wie knapp wir an Fregatten sind, und Ihr Schiff ist nicht nur ein guter Segler, Sie haben auch Ihre Seesoldaten schnell zur Hand, so daß
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