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Der Kartograph

Der Kartograph

Titel: Der Kartograph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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jeder. Die Nachricht, die sie übermittelte, sorgte für ein erstauntes Raunen im Raum. Der Wächter trat sofort zur Seite und entriegelte das schwere Schloss der Holztüre.
Alle waren überrascht, niemand hatte mit der Ankunft des Herzogs gerechnet. Der nickte zufrieden.
«So, ich sehe, die künftige Druckerei von Saint-Dié tut alles, um sich einen hervorragenden Ruf zu schaffen. Sogar neue Lettern werden gegossen. Ich bin beeindruckt von Euch, Jacobi. Wie ich sehe, tat ich gut daran, Euch hierher zu schicken.»
Der Pfarrer, der das Handwerk des Schriftsetzers so meisterhaft beherrschte, verbeugte sich stumm. Nur die hochgezogene linke Braue zeugte davon, dass auch er nicht so recht wusste, was er von der Situation zu halten hatte.
René von Lothringen gab sich leutselig. Doch seine blauen Augen blickten wachsam, das entging Martin Waldseemüller nicht. Als der Herzog seiner ansichtig wurde, zuckte sein linker Mundwinkel kurz, gleich darauf wurde seine Miene wieder undurchsichtig. Er war zu sehr Diplomat, um sich in die Karten schauen zu lassen. Was wollte René von Lothringen nur? Was war der Grund für diesen unerwarteten Besuch?
Der Herzog sah die fragenden Gesichter in der Runde und lachte. «Es sieht fast so aus, mein werter Lud, als sei ich hier in meinem eigenen Land so etwas wie ein Fabeltier. Nun, etwas verwundert bin ich schon, dass niemand mich vom Druck der hydro-geographischen Seekarte unterrichtet hat.»
Lud lächelte. «Vergebt, mon Duc, keiner von uns hat mit Eurer Ankunft gerechnet. Wir hätten uns sonst mehr Mühe gegeben, Euch gebührend zu empfangen. Außerdem war diese Seekarte eigentlich nur ein Experiment, um die Möglichkeiten unserer Presse auszuloten. Seht, dort drüben, neben der Presse, das ist Philesius, von dem ich Euch erzählte. Ohne sein Wissen über die Abläufe des Buchdrucks wären wir ebenso verloren gewesen wie ohne die handwerkliche Meisterschaft von Hochwürden Pierre Jacobi.»
Der kleine, gedrungene Pfarrer verbeugte sich erneut. Matthias Ringmann, der gerade dabei gewesen war, die frisch gemischte Druckerschwärze zu prüfen, wischte sich die Finger hastig an seinem Rock ab. Er machte einen formvollendeten Diener. «Es ist uns allen eine große Ehre, Euch hier begrüßen zu dürfen, Hoheit.»
«Endlich jemand, der mich nicht anstarrt, als wäre ich eines der sieben Weltwunder», erwiderte René von Lothringen. Er zog seinen wertvollen Pelz enger um die Schultern. «Nun, so wollen wir diese Begründung gelten lassen, die Ihr liefert, Lud. Ihr plant doch noch den Druck der großen Weltkarte, oder? Ihr habt mir jedenfalls keine anderslautende Nachricht zukommen lassen. Sonst wäre ich ja umsonst gekommen. Und in einer überaus peinlichen Lage. Denn ich habe die Vorstellung derselben bereits geplant. Sie wird an meinem Hofe in Nancy stattfinden. Viele der Gelehrten Europas haben ihr Kommen zugesagt. Fürsten und Könige entsenden ihre Vertreter, obwohl ich sie wunschgemäß im Unklaren ließ, was genau sie erwartet. Übrigens: Es ist frostig hier in Saint-Dié.»
Martin Waldseemüller wurde unbehaglich, als er hörte, dass die große Karte gleich zu Anfang derart viel Aufmerksamkeit erhalten würde. Ihm war klar, dass er dann auch im Zentrum der Kritik stand. «Fürsten und Könige entsenden ihre Vertreter», hatte der Herzog gesagt. Was das heißen mochte? Es war wohl besser, er wartete ab. Eine genauere Antwort würde er ohnehin nicht bekommen, das war klar, auch wenn die Geheimnistuerei der Diplomatie dem Herzog nicht schon in Fleisch und Blut übergegangen wäre. Was hatte dieser Mann nur vor?
Gauthier Lud schien unbeeindruckt. «Umso größer ist die Ehre, dass Ihr Euch mitten im Winter hierher bemüht habt», erwiderte Gauthier Lud. «Natürlich planen wir die große Karte noch immer. Die Seekarte war quasi eine Art Fingerübung, wenn ich es so nennen darf. Wir haben auch bereits einiges daraus gelernt. Zum Beispiel, dass wir für die WaldseemüllerKarte keine beweglichen Lettern mehr verwenden wollen.» Selbst gegenüber Gauthier Lud hatte der Herzog den Grund seines Besuches offensichtlich noch nicht offenbart.
«Ich wollte mich einfach selbst davon überzeugen, wie weit das große Werk gediehen ist.» René von Lothringen begriff sehr wohl, dass jeder im Raum auf eine Erklärung für seine überraschende Ankunft wartete. Er hatte keineswegs vor, Genaueres preiszugeben, und freute sich diebisch über die nur schlecht kaschierte Ratlosigkeit seiner Gelehrten.
«Leider

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