Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kartograph

Der Kartograph

Titel: Der Kartograph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
Vom Netzwerk:
glaube, sie stammt aus arabischen Quellen. Ich habe noch keine treffendere Beschreibung dieses Gerätes gehört und außerdem ist sie köstlich: Eines Tages ritt Ptolemaios auf einem Esel und führte einen Himmelsglobus mit sich. Er ließ diesen fallen, das Tier trat darauf – und das Ergebnis war ein Astrolabium.» René von Lothringen schien sich an dieser Geschichte selbst am meisten zu ergötzen.
Da öffnete sich die Türe und ein junger Mann schob sich durch den Spalt. Er war klein, drahtig, hatte dunkles lockiges Haar. Seiner Kleidung nach stammte er nicht aus der Gegend, er wirkte südländisch. Möglicherweise kam er aus – bei diesem Gedanken wurde Martin Waldseemüller heiß. Aus Florenz? Das Gesicht kam ihm vage bekannt vor. Die Züge erinnerten ihn an Beschreibungen, die man ihm von Vespucci gegeben hatte. Doch dieser Unbekannte konnte keinesfalls der große Seefahrer sein. Dafür war er viel zu jung. «Kommt, setzt Euch zu uns, mein Freund», forderte der Herzog von Lothringen den jungen Mann auf. Er sprach jetzt Latein und zwar mit der Leichtigkeit, die lange Übung mit sich bringt. Dann strahlte er Martin Waldseemüller an. «Darf ich Euch Juan Vespucci vorstellen, lieber Ilacomylus?»
Dem lieben Ilacomylus blieb vor Überraschung der Mund offen stehen. René von Lothringen lachte herzlich über die Verblüffung des Freiburgers, und auch der ernste junge Mann konnte sich eines Lächelns nicht erwehren.»
«Ihr seid?», setzte Martin Waldseemüller an.
«Ihr erlaubt?», versicherte sich der Gast.
Der Herzog winkte huldvoll.
«Aber natürlich, Vespucci, setzt Euch. Vor allem, greift zu. Ich werde Euch dann verlassen.» Mit diesen Worten erhob er sich. «Ich sehe, ich habe Euch wirklich einen Gefallen getan», erklärte er noch und klatschte in die Hände. Offenbar freute er sich wie ein Kind über die gelungene Überraschung. Dann verließ er ohne ein weiteres Wort den Raum.
Die beiden Männer schwiegen zunächst. Martin Waldseemüller brannten so viele Fragen auf der Seele, dass er nicht wusste, wo er anfangen sollte.
Beide begannen gleichzeitig zu sprechen.
«Ihr Onkel …»
«Mein Onkel …»
Martin Waldseemüller nahm sich sofort zurück. «Entschuldigt, ich wollte Euch nicht unterbrechen. Ihr sagtet, mein Onkel?»
Der junge Vespucci nahm einen Schluck Wein. Dann zog er die Schultern hoch wie vorhin der Herzog. «Es ist kalt hier in den Vogesen.»
«Braucht Ihr noch einen Mantel?»
Man sah Juan Vespucci an, dass er nicht oft lächelte. Er hatte das schmale Gesicht eines Asketen. «Nein, danke. Auf See ist es oft noch kälter. Ihr werdet ahnen, weshalb ich komme?»
So also sah der Neffe des großen Mannes aus. «Euer Onkel?»
Juan Vespucci nickte. «Ja. Er schickt mich. Ich habe den Auftrag, Euch um Verzeihung zu bitten, dass er sich nicht persönlich bei Euch melden konnte. Aber es gibt – zu viele einander widerstreitende Interessen in dieser Sache, und mein Onkel muss Loyalitäten und Verpflichtungen achten, die er eingegangen ist. Jedenfalls – er hat Eure Schreiben bekommen. Doch um allen Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen, schickt er mich. Ich muss dazu sagen, ich brannte darauf, Euch zu begegnen. Die Kunde von Euren Fähigkeiten als Kartograph, als Gelehrter, vor allem aber von Eurem unbestechlichen, scharfen Verstand sind bis zu uns gedrungen. Natürlich habe ich Eure neue Seekarte gesehen. Bemerkenswert. Es ist mir eine Ehre, den großen Martin Waldseemüller kennenzulernen.» Juan Vespucci verneigte sich im Sitzen.
«Ihr bringt mich in Verlegenheit. Sagt Eurem Onkel meinen tief empfundenen Dank für diese Nachricht. Ich bin mir der großen Ehre bewusst.»
Der junge Vespucci unterbrach ihn. «Das ist eine Ehre, von der niemals jemand etwas erfahren darf, wie Ihr sicher verstehen werdet.»
Martin Waldseemüller nickte. «Wo ist er? Wann kann ich ihn sehen, mit ihm sprechen?»
«Niemals, jedenfalls nicht in diesem Leben», antwortete Juan Vespucci bestimmt. «Ihr müsst verstehen, er kann Euch nicht …»
Martin Waldseemüller sprang erregt auf. «Aber ich habe so viele Fragen, ich muss ihn sehen!»
«Fragt!», antwortete der junge Mann selbstbewusst. «Ich ging bei meinem Onkel in die Lehre, und er hat mich genauestens instruiert. Er weiß zum Beispiel auch, dass Ihr davon ausgeht, dass es sich bei den unbekannten Territorien, die er bereiste, um einen neuen Erdteil handelt.»
«Ja, und wir werden ihn nach ihm benennen. America.»
Erneut verbeugte sich Juan Vespucci. «Mein Onkel sagte

Weitere Kostenlose Bücher