Der Kartograph
ein solcher Ort gewesen. Er dachte gerne an die Tage und Nächte, die er mit seinem Freund Gauthier Lud zugebracht hatte, als sie noch offen miteinander sprechen konnten, ihre Gedanken austauschten, ihre Studien und Erkenntnisse besprachen. Dieser Ort, an dem er Viator hieß und nicht Pélerin.
Er seufzte innerlich. Nun, er würde seinen Freund Gauthier anlügen, sich eine Ausrede einfallen lassen müssen.
«Ihr habt Recht, Sire. Ich sollte das alles noch einmal überdenken. Und sicherlich wäre ein solches Werk wie die Karte dieses Waldseemüller auch besser in den Händen erfahrener Drucker wie jenen in Paris aufgehoben. Soll ich dem Herzog von Lothringen eine diesbezügliche Botschaft übermitteln?»
«Nun, ich denke, auch das ist eine Angelegenheit, über die Wir zunächst nachdenken müssen. Bis Wir uns eine Meinung gebildet haben, wäre es vielleicht opportun, die Einrichtung einer Druckerei in Saint-Dié nicht allzu sehr zu forcieren.»
Und das wiederum hieß: René von Lothringen sollte mit Unterstützung sparsam sein. Wie er gehört hatte, war bereits ein Priester ausgeschickt worden, um nach einer geeigneten Presse und dem Werkzeug zu suchen, das man für eine Druckerei benötigte. Vielleicht sollte er sich auch diesen Mann einmal vornehmen und ihm klar machen, dass er besser nicht so schnell etwas finden sollte? Wie hieß er denn nur? Ach ja, Pierre Jacobi, Priester, Schriftsetzer und Buchbinder.
«Ich denke, ich werde Euch eine Botschaft für den Herzog von Lothringen mitgeben», erklärte Ludwig nach einer Pause.
Jean Pélerein erfuhr nie, was darin stand.
Als René II. von Lothringen das Schreiben Ludwig XII. gelesen hatte, schickte er seine Agenten auf die Suche. Er hatte sich entschlossen, Waldseemüller die Karten und die Unterlagen zu verschaffen, auf die er so dringend hoffte. Sie alle trugen Empfehlungsschreiben bei sich, in denen der Herzog die eine oder die andere Gefälligkeit für den Empfänger erwähnte. Ganz am Rande natürlich. Einer dieser Agenten reiste auch nach Florenz.
Und noch eine Botschaft war unterwegs. Marie Grüninger schrieb sie an Matthias Ringmann. Auch sie betraf auf eine gewisse Weise Martin Waldseemüller. « Ich muss Euch sprechen. Es ist wichtig. Findet Euch morgen Abend nach Hereinbrechen der Nacht am östlichen Portal des Straßburger Münsters ein.» Wie üblich ging sie keinen Moment davon aus, dass ein Mann, den sie zu sich bestellte, ihrem Ruf nicht folgen könnte. Matthias Ringmann war nicht begeistert. Seit der gemeinsamen Reise mit Marie von Basel nach Straßburg war er ihr aus dem Weg gegangen.
Sie war schon da, als er kam. Und sie war allein. Trotz der Dunkelheit glitzerte sie im Licht des Mondes, das hin und wieder durch die Wolkendecke fiel, wie ein Paradiesvogel. Das kam von den feinen Silberfäden in ihrem Umhang. Ihr Gesicht war von einem dünnen Schleier verborgen. Doch er erkannte sie sofort. Nur Marie Schott, geborene Grüninger, hatte dieses Lachen. Es erinnerte ihn zugleich an das Gurren einer Taube und das Schnurren einer Katze.
«Ich sehe, Ihr seid noch immer so unhöflich unpünktlich wie früher, mein lieber Philesius.» Sie versuchte, ihrer Stimme einen unverbindlichen Klang zu geben, doch er erkannte die Anspannung darin.
«Was wollt Ihr?», erkundigte er sich schroff. In seinem Inneren stellten sich alle Stacheln auf. Er kannte sie zu gut.
«Ihr habt mir schon liebenswürdigere Sachen ins Ohr geflüstert, damals, als Ihr mich von Straßburg nach Basel führtet. Und auch davor, in Basel. Erinnert Ihr Euch nicht? Nun, das ist nicht sehr schmeichelhaft für eine Frau, wenn ein Mann solche ‹Begegnungen› so schnell vergisst.»
Matthias Ringmann musterte sie. Kein Mann vergaß eine solche «Begegnung», wie sie es nannte, mit dieser Frau. Ihren Körper, so weich, der sich so rund in die Hand schmiegte, von den prallen Brüsten bis zu den festen Pobacken, ihren Geruch, ihren Geschmack, ihren Schoß, der sich so willig öffnete, feucht, gierig, das Lachen und die leisen Gluckser, die ihren Höhepunkt ankündigten … Nein, das vergaß kein Mann.
Er machte eine abwehrende Handbewegung.
Sie lachte leise. «So erinnert Ihr Euch also doch noch. Versucht nicht, es zu verleugnen. Ich sehe es am Glitzern Eurer Augen, trotz der Dunkelheit. Vergesst nicht, ich kenne Euren Gesichtsausdruck, wenn Ihr mich begehrt. So wie jetzt.»
Er riss sich zusammen. «Es ist vorbei. Und es ist besser, wir erinnern uns nicht mehr daran. Ihr seid jetzt eine
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