Der Kartograph
Dame de Paris neu aufzubauen.»
«Jaja, ist schon gut. Ihr müsst mir nicht erklären, wer Fra Giocondo ist. Und Ihr müsst mir auch nicht den ganzen lateinischen Titel von Mundus Novus aufsagen. Was ist damit?»
«Ringmann war derjenige, der die Schrift unter dem Titel De ora Antarctica noch einmal herausgebracht hat.»
Das Gesicht Ludwigs verfinsterte sich noch mehr. «Also nichts als ein Plagiator.»
Pélerin erschrak. «Nein, Sire, verzeiht, wenn ich Euch widerspreche. Es ist absolut üblich, die Drucke anderer etwas verändert neu aufzulegen, das wisst Ihr sehr wohl. Die Druckerei Eurer Majestät hat des Öfteren selbst von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Ringmann hat der Schrift außerdem einige sehr wohlgesetzte Verse hinzugefügt. Durchaus lesenswert, Sire, durchaus lesenswert, ein kluger Kopf.»
«So. Das beruhigt mich jedoch nicht im Mindesten. Gerade wenn es um eine so heikle Sache wie in diesem Fall geht, braucht es weniger kluge Köpfe als weitsichtige Denker. Und was ist nun mit dem Ptolemäus? Wo will Euer Freund Lud eine solche wertvolle Ausgabe herbekommen?»
«Ich schätze mich glücklich, der Besitzer eines solchen Manuskripts zu sein.»
«So. Aha. Seid Ihr.»
«Sire?»
«Ich wünsche, dass Ihr dieses wertvolle Stück gut hütet. Wenn Ihr es aus den Augen lasst, könnte es Euch möglicherweise abhanden kommen.»
«Sire?»
«Nun, das wäre doch ein großer Verlust, nicht wahr, Pélerin? Ihr solltet die Angelegenheit noch einmal eingehend überdenken. Übrigens, fühlt Ihr Euch wohl unter dem Schutz des Herzogs von Lothringen und als Mitglied des Kapitels von Toul? Es ist gut für einen Mann, einen Ort zu haben, an dem er ohne Sorgen seinen Studien nachgehen, alt werden und seinen Kopf einmal zur letzten Ruhe betten kann, nicht wahr? Ich hörte von Eurer Arbeit zur Perspektive. Man sagte mir, es sei ein wahrhaft außergewöhnliches Werk. Habt Ihr schon an eine weitere Auflage gedacht?»
Jean Pélerin gab auf, so zu tun, als verstehe er nicht. Er hatte dem vorherigen Ludwig und der Kirche zu lange als Diplomat gedient, um nicht zu begreifen, was das heißen sollte. Der erste Satz bedeutete im Klartext: Lud bekommt Euren Ptolemäus nicht. Falls doch, könnte es gut sein, dass Ihr bald keine Dienste mehr für den Herzog von Lothringen übernehmen könnt und Euch auch in Toul nicht mehr so wohlfühlen werdet. Ludwig war sich noch nicht einmal zu schade, ihm eine Bestechung anzubieten. In Form einer Neuauflage seiner Perspectiva . Das zeigte, für wie wichtig er diese Karte hielt.
Dennoch – dieser Valois war um einiges sympathischer als sein Schwiegervater Ludwig XI. Der hatte ihn einst gezwungen, seine behinderte Tochter Johanna zu heiraten. Die arme kleine Johanna, hässlich und schüchtern. Sie war ihrem Gatten in keiner Weise gewachsen. «Ich habe mich entschlossen, die Vermählung meiner kleinen Tochter Johanna mit dem kleinen Herzog von Orléans zu betreiben, weil es mir scheint, dass die Nachkommenschaft aus dieser Ehe wenig Kosten verursachen wird», hatte Ludwig XI. damals gesagt. Er erinnerte sich, als wäre es gestern gewesen. Zweiundzwanzig Jahre hatte die Ehe diese beiden aneinander gekettet, zwei Menschen, die sich gegenseitig verabscheuten.
Karl VIII. folgte Ludwig XI. auf dem Thron nach. Nun ja, auch das war vorbei. Karl war kinderlos geblieben und damit die königliche Linie ausgestorben. So herrschte mit dem «kleinen Herzog von Orléans» nun ein Valois der jüngeren Linie über Frankreich. Papst Alexander hatte die Ehe mit Johanna längst für nichtig erklärt. Ludwig, der sich nun der XII. nannte, hatte Anne de Bretagne, die Witwe Karls des Kühnen von Burgund, zur Frau genommen. Die verkrüppelte Johanna hielten die Menschen inzwischen schon fast für eine Heilige. Sie hatte sich ins Herzogtum Berry zurückgezogen und galt als überaus fromm und wohltätig.
Pélerin betrachtete seinen Souverän – sie waren beide älter geworden. Ludwig hatte ein Doppelkinn angesetzt. Nun, eckig männlich war sein Kinn nie gewesen. Das milderte etwas den Eindruck, den seine lange, fleischige Nase hinterließ, die das Gesicht beherrschte. Um die blaugrauen Augen hatten sich Fältchen gebildet.
Das Volk liebte ihn. Er senkte die Steuern. Sie nannten ihn bereits den «Vater des Volkes».
Jean Pélerin verneigte sich. Er war es so müde zu kämpfen. Ludwig hatte Recht. Er brauchte einen Ort, wo er in Ruhe seinen Studien nachgehen konnte. Das Gymnasium de Vosagense in Saint-Dié war lange Zeit
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