Der Kartograph
Besucherinnen von Stand sein, hätten sich die Frauen von Saint-Dié unter anderen Umständen zugeraunt und darüber spekuliert, was sich unter all den Planen, in den Kisten und Truhen an Schätzen verbergen mochte.
Doch sie waren mit den Festvorbereitungen beschäftigt. So bemerkte keine von ihnen die Ankunft der beiden Fremden, bis auf eine, die größte Klatschbase der Stadt. Sie hatte keine Kinder, für die sie Kostüme nähen musste. Dafür ging sie mit der Neuigkeit von Haus zu Haus, um zu berichten: Eine der beiden Frauen hatte ein Kleinkind dabei. Welche, das konnte sie nicht so genau ausmachen. Jedenfalls hatte sie auch eine Amme gesehen, die gerade einen Säugling stillte. Sie entschied, es musste das Kind der Jüngeren sein.
Das große Tor zum Stiftsgelände tat sich auf. Die Ältere verlangte, Magister Martin Waldseemüller zu sprechen. Es war dem Stiftsdiener sofort klar, dass sie keinen Widerspruch dulden würde. Der Magister möge sich doch bitte möglichst umgehend in die Herberge bemühen, musste er ausrichten. Keiner der Bediensteten des Kapitels bekam die Gesichter der beiden Damen zu sehen.
Die Klatschbase leistete ganze Arbeit. Sie ging von Anwesen zu Anwesen, die Frauen hoben die Köpfe von ihrer Handarbeit und hörten neugierig zu. In Windeseile wusste ganz Saint-Dié, dass dieser Waldseemüller, der sich dauernd so geheimnisvoll in seiner Kammer einschloss und den Schlüssel beim Verlassen derselben immer sorgsam an seinem Gürtel festband, nun, dass dieser Magister Waldseemüller Damenbesuch hatte, eine sogar mit einem Säugling. Ob dieser Ilacomylus, den kaum jemand zu Gesicht bekam, vielleicht sogar der Vater war? Die Männer gaben sich uninteressiert, sie warteten ab.
Die Frauen hatten für die nächsten Tage kein anderes Gesprächsthema mehr, während sie Litzen bestickten, goldene und silberne Fäden durch Damast und Brokat zogen. Die Gerüchte trieben absurde Blüten. Besonders, als durchsickerte, wer die beiden Besucherinnen waren. Dann ging das Rätselraten erneut los. Ob das Kleinkind wohl der vornehmen ausländischen Dame gehörte? Oder ihrer Gesellschafterin, der Elsässerin? In dieser Frage war sich die Frauenwelt von Saint-Dié höchst uneinig. Die Elsässerin war jedenfalls etwas gewöhnlich, gifteten einige der Damen und sagten es allen, die es hören wollten. Die Elsässerin war schon ein saftiges Weibsbild, dachten manche der Herren und waren fast geneigt, den Magister Waldseemüller etwas zu beneiden – falls er der Vater des Kindes sein sollte. Doch sie hüteten sich, das ihren Frauen zu erzählen.
Contessina de’ Medici lächelte Martin Waldseemüller an. Sie waren allein in der großen Stube der Herberge. Sie hatte dem Wirt genügend Gold gegeben, um alle anderen Gäste fortzuschicken. Mehr als er an Einnahmen erwarten konnte, wenn das große Fest begann. «Nun, seid Ihr erstaunt, mich wiederzusehen?»
Wie schon bei ihren ersten Begegnungen war er überrascht, wie flüssig ihr Latein war. Sie musste eine ausgezeichnete Erziehung genossen haben. Martin Waldseemüller verbeugte sich. «Es ist mir, wie immer, eine Freude, Euch zu begegnen. Etwas verwundert bin ich allerdings schon. Ich hätte nicht erwartet, dass Ihr hierher kommen würdet. Es gibt doch sicherlich einen guten Grund für Euren Besuch.»
Wenn sie lächelte, wirkte ihr schmales Gesicht unter dem kunstvoll hochgesteckten, dunkelblonden Haar mädchenhaft und fröhlich. Doch er wusste, dass sie einiges durchgemacht haben musste. Die Medici hatten es nicht mehr so leicht, seit die Macht von Florenz in andere Hände übergegangen war. Der feine Kranz der Fältchen um ihre Augen berichtete davon.
Er wartete.
«Eigentlich gibt es zwei Gründe, die mich herführen. Aber bitte nehmt Euch doch etwas von dem Wein im Krug. Er ist zwar nicht so gut wie bei uns zu Hause, aber auch nicht schlecht.» Sie machte eine Pause und blickte ihn scharf an. «Ihr wisst, wie ich in Wirklichkeit heiße, nicht wahr?»
Er nickte. Die Frage verwirrte ihn. Warum machte sie sich die Mühe, ihre Identität zu verbergen, wenn sie ihn jetzt so offen darauf ansprach?
«Contessina de’ Medici di Ridolfi» , erwiderte er knapp.
«Ihr seid gut informiert. Ich weiß, dass Ihr mein Inkognito als Signora Simoni wahren werdet, nicht wahr?»
Wieder machte er eine höfliche Verneigung mit dem Kopf.
«Gut. Ich will nicht lange Umschweife machen. Ihr ahnt mein Anliegen sicher schon. Ich dachte eigentlich, Ihr hättet meine Warnung verstanden,
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