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Der Kastrat - Harvell, R: Kastrat - The Bells

Titel: Der Kastrat - Harvell, R: Kastrat - The Bells Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Harvell
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sagte Nicolai. Er nahm ihre Hand in seine beiden
Riesenpfoten, als wolle er sie wärmen.
    »Freunde«, sagte ich. »Können wir eine
Weile hier bleiben?«
    Nicolai drückte Amalias Hand an seine
Wange. »Solange ihr wollt!«, rief er aus.
    »Danke«, sagte sie. Sie lächelte. Sie
sah sich in dem schäbigen Zimmer um. Zu meiner Erleichterung zeichnete sich
keinerlei Ekel auf ihrem Gesicht ab.
    »Ihr könnt Remus’ Zimmer haben«, sagte
Nicolai galant. »Er kann sich hier bei seinen Büchern zusammenrollen.«
    »Ich möchte Euch keine Mühe machen«,
sagte Amalia.
    »Es ist keine Mühe«, sagte Remus.
    »Wir bleiben nicht lange«, sagte ich.
    »Ich bete darum, dass ihr lange
bleibt!«, sagte Nicolai.
    »Wir gehen nach Venedig!«, platzte es
aus mir heraus.
    »Nach Venedig?«, fragte Nicolai mit
großen Augen.
    »Moses wird in der Oper singen«, sagte
Amalia.
    »Ja!«, rief Nicolai. »Im Teatro San
Benedetto.«
    »Und ihr beiden auch«, sagte ich. »Ihr
müsst mit uns kommen!«
    Nicolai legte seine rundlichen Hände
unter dem Kinn zusammen. Seine Augen standen voller Tränen. »Venedig! Mein
Traum wird wahr! Natürlich kommen wir mit!«
    Einen Augenblick lang sagte Remus
nichts. Sein Gesicht war wie eine Wolke, die den Sonnenschein unserer Zukunft
trübte. »Remus«, sagte Nicolai, »sei nicht so ein Langweiler.«
    »Nicolai kann nicht nach Venedig
reisen«, sagte Remus zu Amalia. »Er ist krank.«
    »Ich war heute im Theater!« Nicolai
lächelte trotzig. »Ihr könnt mir einen Sack über den Kopf stülpen, damit ich
der Sonne entgehe.«
    »Nicolai, Venedig ist vierhundert Meilen
entfernt, auf der anderen Seite der Alpen. Du kannst kein Pferd reiten. Und
ohnehin haben wir nicht die Mittel für eine solche Reise.«
    »Oh doch, die haben wir!«, sagte ich.
Ich zog die Schatulle unter dem Arm hervor und öffnete den Deckel. Das Gold
glänzte im Kerzenschein.
    »Mein Gott«, flüsterte Remus.
    »Was ist das?«, fragte Nicolai und
versuchte, irgendetwas zu erkennen. »Brennt es?«
    »Moses und Amalia haben ein Vermögen«,
teilte Remus ihm mit. »Mehr Geld, als du in deinem ganzen Leben angefasst
hast.«
    Nicolai sog die Luft ein.
    »Wir kaufen eine Kutsche und bauen
Nicolai ein Bett ein«, sagte ich.
    »Wir brauchen euch nämlich«, erklärte
Amalia. »Hier in Österreich müsst ihr unsere Tarnung sein. Und in Italien wird
niemand glauben, dass Moses mein Mann ist.«
    »Ich werde Euer Mann sein!«, sagte
Nicolai.
    Jetzt errötete Amalia.
    »Wir dachten«, sagte ich, »dass Remus
ihr Vater sein könnte. Wir sagen, dass ihr Mann im Krieg ist.«
    »Dann könnte ich ja ein Onkel sein.«
    »Wir dachten an einen Patienten«,
sagte Amalia. Dann sah sie Remus an. »Ein Patient meines Vaters.«
    »Aber ein reicher Patient«, sagte
Nicolai.
    »Ein reicher Patient«, bestätigte ich.
    In diesem Augenblick hörten wir
Schritte auf der Treppe. Remus sah auf die Tür, und das Blut wich aus seinem
Gesicht. Nicolai streckte seinen langen Arm aus, schob Amalia und mich hinter
seinen Rücken und baute sich gegen die Bedrohung auf, die da die Treppe
heraufkam.
    Aber ich lächelte nur: Meine Ohren
hörten mehr als ihre. Als sich schließlich die Tür öffnete und sich Nicolai schwerfällig
zum Angriff anschickte, reichte ihm der Eindringling kaum bis zur Taille.
    Tassos Gesicht war rot und mit Schweiß
bedeckt von seinem Lauf durch die Stadt. Erleichtert rieb er sich die Hände,
als er mich erblickte.
    »Guadagni sucht nach dir!«, sagte
Tasso atemlos. »Er kam aus dem Schatten gesprungen, als ich die Bühne ausfegte.
Legte mir die Hände um den Hals. Sagte, Durazzo würde mich aus dem Theater
verbannen!«
    »Was willst du tun?«, fragte ich.
    Der kleine Mann lächelte und
schüttelte den Kopf. »Ich hab ihn vors Schienbein getreten und über seine
Drohungen gelacht«, prahlte er. »Ich habe nämlich gehört, wie Durazzo Guadagni
gratuliert hat. Der Generalintendant meinte, deine Arie sei die schönste
gewesen, die jemals im Theater der Kaiserin gesungen wurde. Sie glauben, er hat
gesungen, und deshalb kann Guadagni kein Wort sagen! Aber er hat mich gefragt,
wo du dich versteckst. Ich sagte, er müsse das doch wissen. Du bist schließlich
sein Schüler.«
    »Danke«, sagte ich.
    »Und morgen kriegt er noch einen Fußtritt«,
prahlte Tasso.
    Amalia nahm meinen Arm und trat hinter
Nicolai hervor. Tasso fuhr zusammen. »Aber das bedeutet, dass wir uns beide
verstecken müssen, bevor wir die Stadt verlassen können«, sagte sie zu

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