Der Katalysator
statt dessen lieferte.“
„Das ist Seranes Technik im Umgang mit Slav. Er weiß, daß Slav nicht tut, was man ihm aufträgt, und so betraut er ihn mit einem anderen, damit verknüpften Projekt, nach der Theorie, daß Slav eben nicht dies, sondern das derzeitige Gruppenprojekt bearbeiten wird, obwohl – oder gerade weil – er diesen Auftrag nicht hatte. Oder mache ich es jetzt noch schlimmer?“
„Nein, ich glaube, ich verstehe.“ Teidemann war Slavs notwendiges und komplementäres Gegenüber. Jeder von beiden war nur zusammen mit dem anderen vollständig. Er begriff jetzt, daß sie in einer perfekten Symbiose für Serane arbeiteten. Nur Serane konnte so etwas bewerkstelligen.
4
Mary Derringer/K
„Guten Morgen“, sagte Mary Derringer.
„Guten Morgen, Mary“, antwortete die Maschine. „Wen wollen wir heute nehmen? Freud? Reich? Fromm?“
„Keine künstlichen Holos. Nur du.“
„Nichts Außergewöhnliches für deine letzte Sitzung?“
Die sanften, qualvollen Klänge eines Stückes aus Song (eine Szene des ersten Aktes, dachte sie) ertönten kaum hörbar in irgendeiner Ecke. Sie hatte nie herausfinden können, wo die Lautsprecher verborgen waren.
„Mary?“ drängte die Maschine.
Sie hatte einen plötzlichen, perversen Einfall. „Ich hab’s mir überlegt. Ich möchte, daß du … Philip Donnator bist.“
„Wer?“
„Philip Donnator, der Komponist. Sag nicht, daß die Große Allwissende Maschine noch nie von ihm gehört hat. In diesem Augenblick spielst du seine Musik.“
„Die Musik ist purer Zufall. Es gibt niemanden dieses Namens in meiner psychiatrischen Datenbank.“
„Natürlich nicht, Dummerchen. Er war Komponist, nicht Psychiater.“
„Nun, wir haben ihn nicht.“
„Aber du kannst ihn besorgen. Kannst du dich nicht in die Allgemeine Datenbank einschalten?“
„Was ist seine Identitätsnummer?“
„War. Er ist tot. Und ich weiß es nicht. Frag die Auskunft. Tu nicht so hilflos. Philip Donnator. Autor von Song. Starb vor ungefähr zwanzig Jahren.“
„Womöglich gibt es nicht genug von ihm, um eine Synthese zu formen. Die Datenbank müßte schon über eine ausreichende Stimmaufzeichnung verfügen, außerdem über Handlungsbilder, Verhaltensmuster …“
„Versuch’s, verdammt !“
„Aber ja doch, natürlich. Bitte warte einen Augenblick.“
Sie wartete. Dann, plötzlich, war es da, verschwommen zunächst, aber immer mehr an Konturen gewinnend.
Auf dem Stuhl vor dem Psychopult „saß“ das Holo eines jungen Mannes. Er war seit zwanzig Jahren tot, aber sie kannte ihn von den Bildern. Langes, nach hinten gekämmtes Haar. Das abweisende Van-Dyke-Bärtchen. Lebhafte graue Augen. Offenbar hatte die Maschine die Allgemeine Datenbank in Lawrence, Kansas, erfolgreich durchwühlt.
Sie vergeudete keine Zeit. „Hallo, Philip.“
Er lächelte schief zurück. „Mary.“ Seine Stimme besaß ein tiefes, brüchiges Timbre.
„Du hast Song nie zu Ende gebracht.“
„Das stimmt.“
„Warum nicht?“
„Ich bin gestorben.“
„Wie hätte es geendet, wenn du lange genug gelebt hättest?“
Wieder dieses schiefe, halbseitige Lächeln. „Ich kann es dir nicht sagen. Das kannst nur du.“
„Aber in dieser letzten Szene – wenn die Priesterin die falschen Dinge erbittet, bekommt sie gar nichts.“
„Absolut richtig.“
„Und was ist dann das Richtige?“
„Schweifen wir nicht ab? Dies sind deine letzten fünfzig Minuten, die letzte Sitzung der Serie. Du solltest eigentlich …“
Sie wischte den Einwand beiseite. „Ich habe dir eine Fra ge gestellt. Ich hätte gern eine Antwort. Was ist das Richtige?“
„Ich verstehe. Es ist dir ernst, nicht wahr?“ Das Holo beugte sich vor. „Dir fehlen gewisse Dinge … du
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