Der Katalysator
Päckchen stand MIT DEN EMPFEHLUNGEN DER EUTHANASIA GMBH. Auf der Pille selbst blitzte ein kleiner Schädel mit gekreuzten Gebeinen abwechselnd schwarz und weiß auf.
Einen Moment lang starrte Mary das Ding fasziniert an. Ein Schauder überlief sie. Sie stand auf, trat an das Pult und nahm das Päckchen an sich. „Danke“, sagte sie heiser. Sie schob es in ihre Handtasche und ging.
5
Wieder ein Freitag
Serane verfolgte noch immer seine fixe Idee, Trialin bei atmosphärischem Druck herzustellen. Jetzt schlug er vor, es am Katalysator zu bilden und dann abzulösen, ohne dabei den Katalysator aus der Reaktionskammer zu entfernen.
„Das Problem liegt vielleicht hauptsächlich im Bereich der physikalischen Chemie. Sam …“ er wandte sich an Dr. Quirrel, einen kleinen, hektischen Mann mit vorstehenden Zähnen, der sich hinter die Konsole der Bibliotheksnebenstelle duckte – „… ist es möglich, Trialin am Katalysator herzustellen und gleichzeitig abzulösen?“ Noch während er diese Frage stellte, betätigte Serane die Fernbedienung für die Nebenstelle. Auf der rückwärtigen Luminexwand des Konferenzraumes leuchtete ein schematisches Diagramm auf. An den Erläuterungen am unteren Rand erkannte Paul, daß Serane ein Sublimationsfluß-Diagramm aus Quirrels eigenem klassischem Werk über physikalische Chemie ausgewählt hatte.
Dr. Quirrel schien von diesem Anblick völlig verblüfft zu sein. Ungläubig blinzelte er auf das Diagramm. In seinem Gesicht zuckte es, als wäre noch kein Chemo-Physiker im ganzen Universum je mit einer solchen Frage konfrontiert worden. „Tja, das weiß eigentlich niemand so genau. Ich denke, zunächst einmal müßte man den Urea-Zustrom verdampfen.“ Er stand zögernd auf und wies auf das Diagramm. „Man würde einen Pyrolysator brauchen – dort. Aber ich weiß nicht …“ Er begann Zahlen und Gleichungen zu deklamieren und flüchtete sich schließlich ausweichend in eine Wolke des Heisenbergschen Unbestimmtheitsprinzips.
„Ein verdampfter Zufuhrstrom wäre wahrscheinlich kein Problem“, meinte Serane. „Das HNCO wäre das Hauptreagens, und das NH3 würde das Trialin-Produkt stabilisieren – falls eines entsteht.“ Er drehte kurz an seiner Fernbedienung herum. Eine Serie von Holo-Bildern flimmerte über die Wand: Löslichkeitskurven, das Verhältnis von Trialin und seinen Deaminationsprodukten zum Ammoniak, der Ammoniakverlust des Trialin bei verschiedenen Temperaturen. Dr. Quirrel starrte wie hypnotisiert auf die Holos, und Paul und die anderen waren kaum weniger fasziniert. In einem nebelhaften Winkel seines Hinterkopfes begriff Paul, daß Serane alle diese Buch- und Zeitschriftenzitate auswendig zu finden wußte und daß er sie ganz nach seinem Belieben und genau in der richtigen Reihenfolge abrief, um Quirrel damit zu fesseln, wie ein großer Orchesterdirigent mit einem brillanten Solisten arbeiten würde.
Die Bilder folgten immer rascher aufeinander. Paul konnte dem Sinnzusammenhang nicht mehr folgen. Es war jetzt nur noch eine Sache zwischen Serane und Quirrel.
Seranes Stimme wurde sanft und verführerisch. Paul mußte die Ohren spitzen, um ihn zu hören. Während die Bilder über die Wand huschten, brachte Serane die verschiedensten Leckerbissen zur Sprache, die sich auf das Problem, das Trialin vom Katalysator abzulösen, beziehen konnten. Er wandte Paulis Auswahlprinzip an. Er köderte mit Dipol-Momenten. Er scherzte mit der Geiger-Nutallschen Regel und befürwortete die Avogadrosche Zahl.
„Aber“, wandte Dr. Quirrel ein, „hat Trialin denn bei
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