Der Katalysator
Sheila. „Bitte laß uns in die Küche gehen und dort reden.“
„In Ordnung.“ Er folgte ihr durch die Eßnische in die Küche. Dort setzten sie sich an den Tisch, und sie goß den Kaffee ein. Er nahm sich Sahne und Zucker von einem silbernen Service.
„Warum, Sheila? Warum hat er das getan?“
„Weil er es wollte“, antwortete sie schlicht. „Er war fertig. Mit mir, mit allem. Es war das beste.“
Er starrte sie an.
Sie lächelte etwas schief. „Ich will dir ein paar Dinge zeigen.“ Sie stand auf und deutete auf ein radförmiges Gerät mit einem Durchmesser von etwas mehr als einem halben Meter, das auf dem Nähmaschinentisch stand. Es sah aus wie ein Miniaturriesenrad auf einer Kirmes, nur daß es anstelle der Gondeln kleine beleuchtete Computerschriftdisplays trug.
„Was um alles in der Welt …?“
„Paß auf“, sagte Sheila. „Bastard!“ schrie sie.
Paul fuhr hoch und sah sie erschrocken an.
Sheila zeigte auf das Rad. Es drehte sich, und die Displays blitzten auf. Jeder der beleuchteten Schriftzüge war der gleiche: „Uriah ist ein blöder Bastard.“ Sie lächelte grimmig. „Es funktioniert mit jedem Schimpfwort, das man sich ausdenken kann. Natürlich muß man schreien. Es hat eine bestimmte Dezibelschwelle.“ Pauls verblüffter Gesichtsausdruck amüsierte sie. „Er war sehr belesen. Er hatte von den Gebetsmühlen gelesen, die in den tibetanischen Bergen standen. Es waren große, steinerne Räder, die hüfthoch aufgehängt auf hölzernen Achsen rotierten. Ringsum waren Gebete eingeritzt. Der des Lesens unkundige, aber fromme Reisende läßt das Rad ein-, zweimal rotieren, und damit gelten alle erforderlichen Gebetsformeln als gesprochen. Uriah fand, daß meine dauernden Klagen über ihn sich hervorragend für eine Gebetsmühle eigneten: Sinnlose Wiederholungen. Zum Beweis baute er dieses Rad.“ Sie zog den Stecker aus der Wand. Langsam kam das Rad zum Stehen. „Dies war das erste Mal, daß ich dieses verdammte Ding angerührt habe. Es steht seit Monaten hier. Ich kam nicht einmal mehr an die Nähmaschine heran. Es war Haß, es war Verzweiflung. Natürlich war er verrückt.“
Sie will auf dieses Ende hinaus, dachte Paul. „Weiter“, sagte er.
„Nun, und eines Abends in der vergangenen Woche fragte ich ihn, ob wir bis in alle Ewigkeit so weiterleben wollten, denn in diesem Fall würde ich ihn verlassen. Da rückt er damit heraus, in klarem Englisch: Er sagte, er werde es mich in ein paar Tagen wissen lassen. Es besteht also noch Hoffnung, denke ich. Zumindest redet er wieder mit mir, von Angesicht zu Angesicht. Aber so meinte er es überhaupt nicht. Er fuhr dann nach Washington – nur daß er eben gar nicht nach Washington fuhr, sondern in dieses schmierige Hotel in Brooklyn. Und dort nahm er … das hier.“ Sie deutete auf zwei Kanister, die in der Diele auf einem Tischchen standen. „Die Polizei hat sie mir gestern zurückgebracht.“
Paul betrachtete die beiden Metallzylinder. Auf den ersten Blick sahen sie aus wie Feuerlöscher, aber dann sah er, was auf den Etiketten stand: LUFT - EX . EXKLUSIVVERTRIEB DURCH EUTHANASIA GMBH.
Und jetzt begann er zu begreifen, auf welche Weise Uriah gestorben war. „Du meinst …?“
Sheila nickte verbittert. „Genau die. Sie enthalten Molekülabsorberfilter mit einer Porengröße, die Sauerstoffmoleküle absorbiert, aber Stickstoffmoleküle durchläßt.“
Die Kanisterventile waren mit etwas verbunden, das aussah wie eine Servoschaltung. Paul beschloß, nicht danach zu fragen. Wenn Sheila es ihm erklären wollte, gut, dann würde er zuhören.
Sie redete weiter. „Er ging zu Bett. Vielleicht schlief er ein. Wir wissen es nicht, und es ist auch ohne Bedeutung. Gegen Mitternacht
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