Der Katalysator
Wandlautsprecher. Die Stimme (sie gehörte Kussman) sagte: „Sie sind jetzt seit fünf Minuten hier. Wir wissen, daß Sie keine wertvolle Zeit vergeuden wollen. Mrs. Pinkster wird Ihnen nun einige ausgewählte Passagen aus der letzten Ausgabe der Chemischen Monatsschrift vorlesen …“
Ausgerechnet in diesem Augenblick fiel ihm der Aufkleber ein, den er neulich vom Tisch genommen und in seine Jackentasche gesteckt hatte, ohne einen Blick darauf zu werfen. Jetzt fischte er ihn aus der Tasche, betrachtete ihn nachdenklich, zog dann die Folie auf der Rückseite ab und klebte den Aufkleber über der Papierrolle an die Seitenwand.
Auf dem kleinen Schild stand: PROBLEME? BEMÜHEN SIE SICH NICHT! DER COMPUTER KANN ES BESSER UND SCHNELLER.
11
Uriah Hight
Mary Derringer rief Paul über das Schreibtisch-Visi. Sheila Ward hatte sie eben angerufen. Uriah war in einem billigen Hotel in Brooklyn tot aufgefunden worden.
Uriah …? Sheilas schattenhafter Gefährte, den er nie kennengelernt hatte? Er hatte sich nie die Mühe gemacht, über sein Verhältnis zu Uriah nachzudenken. Es war unwichtig gewesen. Aber jetzt würde er darüber nachdenken müssen. Zum Beispiel: Was waren die rechtlichen Konsequenzen aus dem Tod eines registrierten Lebensgefährten? Sie hatten sich unter dieser Kategorie registrieren lassen, damit ihre Einkünfte nicht für die Zwecke der Einkommensteuer zusammengelegt wurden; Kinder aber hätten auf diese Weise einen legitimen Status gehabt. War Sheila jetzt eine Art Witwe? Hatte sie einen Rechtstitel in Uriahs Vermögen? Es war sehr verwirrend.
„Es heißt, es sei Selbstmord gewesen“, sagte Mary.
Paul wußte nicht, was er sagen sollte. Er dachte nach, aber über die falschen Dinge. „Vielleicht ist es nicht Uriah. Weshalb sind sie da so sicher?“
„Als sie ihn herausgeholt hatten, fanden sie seinen Namen und seine Anschrift in seiner Brieftasche, und so ließen sie Sheila kommen, damit sie ihn identifizierte.“
„Vielleicht sollten Sie hinüberfahren und bei Sheila bleiben.“
„Das habe ich ihr schon angeboten. Sie sagt, sie braucht niemanden. Sie behauptet, es gehe ihr gut.“
„Sie glauben nicht, daß sie sich irgend etwas antut …?“
„Nein.“
„Was ist mit der Beerdigung … mit den rechtlichen Angelegenheiten …?“
„Sheila hat sich schon mit einem Anwaltsbüro in New York in Verbindung gesetzt. Dort wird alles geregelt. Sie läßt den Leichnam nach Ohio bringen. Dort wird die Beerdigung stattfinden. Uriah soll in Evergreen bestattet werden, in Akron.“
„Ich verstehe. Ich muß heute abend mit der U-Bahn nach Washington. Ich werde bei ihr vorbeigehen und sehen, ob ich etwas tun kann.“
„Das ist gut.“ Mary klang erleichtert, als sei nun für alles gesorgt. „Ich werde des Dr. Serane sagen.“
Er hatte Sheila seit über einem Monat nicht mehr gesehen. Er musterte sie mit einem kurzen Blick, als sie ihn in die Wohnung führte. Sie trug ein schwarzes, mit dunkelgrauen Borten besetztes Kleid. Die dazu passende Perücke war mattschwarz, mit einem bescheidenen, beinahe altjüngferlichen Knoten am Hinterkopf. Ihre Nägel waren schwarz lackiert. Make-up trug sie keines. Sie war schön. Wie immer. (Er fragte sich, ob sie ihre Brustwarzen wohl in einer Trauerfarbe geschminkt haben mochte.)
„Komm herein.“ Lächelnd geleitete sie ihn durch die kleine Diele ins Wohnzimmer. Sie nahm ihm Hut und Mantel ab und warf sie auf einen großen Ledersessel, der vor dem Fernseher stand. Er war noch nie hier gewesen, aber er wußte, daß es Uriahs Sessel sein mußte. Es wäre ihm lieber gewesen, wenn sie seine Sachen in den Schrank gehängt hätte.
„Ich war gerade dabei, Kaffee zu kochen“, sagte
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