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Der Katalysator

Der Katalysator

Titel: Der Katalysator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles L. Harness
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hun­dert Me­ter weit durch die Gän­ge.
    Aber es küm­mer­te sie nicht. Nichts küm­mer­te sie mehr. Ma­ry wuß­te ge­nau, was sie zu tun hat­te. Beim nächs­ten Trink­was­ser­stand blieb sie ste­hen, knöpf­te ih­re Ja­ck­en­ta­sche auf, zog das klei­ne Päck­chen her­vor und riß die Um­hül­lung in ei­ner re­so­lu­ten Ge­bär­de mit den Zäh­nen auf. Die leuch­ten­de Pil­le fiel in ih­re Hand. Sie leg­te den Kopf zu­rück und öff­ne­te den Mund.
    Ei­ne ei­ser­ne Faust schloß sich um ih­re Hand.
    Er­schro­cken fuhr sie her­um.
    Es war Paul.
    „Nein!“ fleh­te sie. „Las­sen Sie mich los!“
    Sein Ge­sicht war grim­mig und weiß. Mit ge­preß­ter Stim­me sag­te er: „Wir wer­den Ih­nen nicht das Ver­gnü­gen ver­schaf­fen, Sie hier drau­ßen tot auf­zu­fin­den.“
    Sie zit­ter­te und wisch­te sich mit der frei­en Hand über die Au­gen. Oh­ne sich zu sträu­ben, ließ sie ihn die Pil­le aus ih­rer Hand neh­men, auf den Bo­den wer­fen und mit dem Ab­satz zer­tre­ten.
    „Und jetzt“, sag­te er, „müs­sen wir ent­schei­den, was wir mit Ih­nen an­fan­gen sol­len. Soll ich Sie ins Kran­ken­haus brin­gen? Oder in Ih­re Woh­nung?“
    „Ich will nach Hau­se.“
    „Ich sor­ge da­für, daß ei­nes der Mäd­chen bei Ih­nen bleibt.“
    „Nein. Ich will nie­man­den.“
    „Wer­den Sie brav sein?“
    „Ja. Aber er­zäh­len Sie es nicht Dr. Se­ra­ne.“
    „Okay. Ich wer­de ihm ein­fach sa­gen, Ih­nen sei schlecht ge­wor­den und ich hät­te Sie nach Hau­se ge­fah­ren.“
     
     
    Ei­ne Stun­de spä­ter wuß­te es das gan­ze La­bor. Se­ra­ne war auf dem ab­stei­gen­den Ast. Er hat­te nicht mehr die Macht, sei­ne Leu­te zu schüt­zen.
    Ma­ry blieb tat­säch­lich bei der Fir­ma. Se­ra­ne be­schaff­te ihr ei­ne Stel­le bei ei­nem Vi­ze­prä­si­den­ten in der Pu­blic-Re­la­ti­ons-Ab­tei­lung in New York, und sie zog nach Man­hat­tan. Nie­mand stell­te Hum­bert ir­gend­wel­che Fra­gen, ob­gleich er ih­re Ak­te zwei Wo­chen lang auf sei­nem Tisch lie­gen ließ und nur all­zu glück­lich ge­we­sen wä­re, Fra­gen über sie zu be­ant­wor­ten.
    O wie herr­lich das doch ist, dach­te Kuss­man. Se­ra­ne saß vor sei­nem Schreib­tisch, auf dem Stuhl, den Kuss­man dort für Un­ter­ge­be­ne hin­ge­stellt hat­te. Es war ein Stuhl oh­ne Arm­leh­nen. Er stand im Licht ei­nes glei­ßen­den Spots, und die me­tal­le­ne Sitz­flä­che war nach vorn ge­neigt. Se­ra­nes Ge­sicht er­schi­en un­ver­bind­lich, aber un­ter die­ser Ober­flä­che schim­mer­te es düs­ter. Er saß nicht auf der Stuhl­kan­te und beug­te sich auch nicht re­spekt­voll vor, wie es die Eti­ket­te ver­lang­te, aber das war ei­gent­lich un­wich­tig. Es er­füll­te Kuss­man mit ei­ner un­ge­heu­ren Be­frie­di­gung, ihn hier zu ha­ben, auf die­sem Stuhl, ganz gleich, un­ter wel­chen Be­din­gun­gen. O Se­ra­ne, ich ha­be dich ge­schla­gen. Ich ha­be ge­won­nen. Du bist auf dem Schrott­platz ge­lan­det. Es wird dir leid tun, über­haupt ge­bo­ren zu sein.
    „Ich wer­de oh­ne Auf­se­hen kün­di­gen“, sag­te Se­ra­ne. „Ich über­las­se es Ih­nen, den Zeit­punkt zu be­stim­men. Wenn Sie es wün­schen, kün­di­ge ich mit so­for­ti­ger Wir­kung.“
    Kuss­man run­zel­te die Stirn. Er hat­te nicht da­mit ge­rech­net, daß es so ver­lau­fen wür­de. Es ge­fiel ihm nicht, wie Se­ra­ne di­rekt zum Kern der Sa­che vor­ge­drun­gen war. Für das, was er im Sinn hat­te, war es von we­sent­li­cher Be­deu­tung, daß Se­ra­ne noch ein paar Wo­chen blieb. Wenn Se­ra­ne frist­los kün­dig­te, war sei­ne sorg­fäl­tig ge­plan­te Ra­che beim Teu­fel. Er beug­te sich vor. „Ha­ben Sie schon ei­ne neue Stel­le?“
    „Nein, na­tür­lich nicht. Ich ha­be nicht ein­mal an­ge­fan­gen, mich um­zu­se­hen.“
    Kuss­man ent­spann­te sich. Er lä­chel­te. Es war ein gu­tes Lä­cheln, voll von op­ti­mis­ti­scher In­nig­keit. Er schau­te hin­aus über die wei­ten Ra­sen­flä­chen auf den Ver­kehr auf der Post Road. „Es tut mir leid, daß es da­zu ge­kom­men ist. Aber Sie müs­sen am bes­ten wis­sen, wo Ih­re Zu­kunft liegt. Wir kön­nen Ih­nen ei­ne an­ge­mes­se­ne Frist zum Su­chen ein­räu­men – sa­gen wir, bis zu sechs

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