Der Katalysator
gute Chemikerin. Und ich will gar nicht davon reden, daß ich meine Anwaltsprüfung in demselben Jahr wie du abgelegt habe.“
„Ich weiß.“ Aber – das Patentamt? Würde sie dann seine Fälle bearbeiten? Nein, das Patentamt konnte sie nicht meinen.
Zusammen gingen sie in die kleine Diele hinaus. Als Paul seinen Mantel überzog, bemerkte er ein kleines Glas mit weißen Kristallen, das auf dem Posttisch stand. Gedankenverloren nahm er es in die Hand und las die Aufschrift:
DAS ERSTE KILO
UREA-PILOTANLAGE
CHEMISCHE BETRIEBE ASHKETTLES
EASTON, 1. NOVEMBER 2005
„Er war ungeheuer stolz darauf“, meinte Sheila. „Seine einzige große, persönliche Leistung. Tag und Nacht hat er in dieser verdammten Pilotanlage gearbeitet. Und er wollte nicht, daß die Firma es mit diesem Harnstoff einfach bewenden ließ. Er wollte, daß sie es weiterverarbeiteten. Vor allem zu Trialin.“
Paul wollte das Glas zurückstellen, doch dann zögerte er. „Kann ich es behalten?“
„Du kriegst besseres Zeug im Labor.“
„Ich will dies hier … es sei denn, du willst es haben.“
„Nein, ich wollte es wegwerfen. Was willst du damit?“
„Ich weiß es noch nicht. Vielleicht habe ich eines Tages die Möglichkeit, es für Uriah weiterzuverarbeiten.“
„Du bist schon komisch.“ Er schob das Glas in seine Tasche. Als sie die Tür hinter ihm schloß, wußte er, daß zwischen ihnen alles vorbei war. Er seufzte und dachte an Mary Derringer.
Eine Woche später rief Mary bei Paul an. Sheila war beim Packen. Sie mußte die Wohnung zum Fünfzehnten geräumt haben. Sie ging nach Washington zurück, genau gesagt, nach Arlington, Virginia. Ihre neue Wohnung lag im Crystal Plaza, genau gegenüber vom Gebäude des Patentamtes.
„Am Patentamt?“ fragte Paul.
„Genau. Sie hat einen Job als Patentprüferin.“
„Um Gottes willen.“ Also hatte sie es ernstgemeint.
„Schließlich ist sie Chemikerin und Rechtsanwältin, oder etwa nicht? Genau wie Sie.“
„Ja, das weiß ich. Aber eine Frau als Patentprüfer …?“
Mary schnaufte. „Kinderkriegen ist nicht alles, was Frauen können.“
Ich weiß, ich weiß.
12
Der Sturz
Am nächsten Morgen wurde Mary in Humberts Büro gerufen. Mrs. Pinkster saß neben seinem Schreibtisch, und ihre Augen glitzerten, als Mary eintrat.
„Dr. Kussman braucht eine zusätzliche Kraft für sein Büro“, eröffnete Humbert freundlich. „Wir haben an Sie gedacht. Sie fangen heute nachmittag bei ihm an. Können Sie Ihre Sachen jetzt gleich zu Mrs. Pinkster hinausbringen?“
Mary hatte das Gefühl, zwei Meter tief unter Wasser zu schwimmen. Sie sah erst Humbert und dann Mrs. Pinkster an. „Weiß Dr. Serane davon?“
„Sie können es ihm selbstverständlich erzählen.“
Sie wollte heftig nach Luft schnappen, aber wenn sie es täte, würde sie vielleicht ertrinken. Sie hörte, wie ihr Herz klopfte. Ganz offensichtlich war Dr. Serane über diese Entwicklung nicht informiert. Im Grunde taten sie ihm dies an. Sie selbst war nichts als eine Art Bauer in dem Kriegsspiel, das hier abrollte. Das begriff sie sehr gut.
Es war geschehen. Die Erde hatte sich aufgetan. Sie war verloren. Es gab keinen Platz mehr, an den sie gehörte. Die Gruppe würde zerschlagen werden. Einen nach dem anderen würden sie vernichten. Erst sie. Dann Dr. Serane. Dann den armen Bob Moulin. Dann die armen Doktoren Slav und Teidemann (denn wer würde sie haben wollen?) und all die anderen.
Sie drehte sich um und ging auf die Tür zu.
Humbert stand auf, ehrlich überrascht. „Wir sind noch nicht fertig. Kommen Sie zurück.“
Mrs. Pinkster verfolgte sie bis zur Tür. „Wie können Sie es wagen …!“ kreischte sie. „Sie … Sie … Klon!“
Dieser letzte Schuß schallte in beide Richtungen
Weitere Kostenlose Bücher