Der Katalysator
Bahnhof fuhr. Schließlich sagte er schlicht: „Ich wünschte, ich hätte ihn gekannt.“
Kein Vorwurf. Keine Anklage.
„Ich bin froh, daß Sie nicht dabei waren. Ich wäre sonst völlig an den Rand gedrückt worden.“
Während die Bahn nach New Haven sich langsam in Bewegung setzte, suchte Serane sich einen Sitzplatz und begann ernsthaft über das nachzudenken, was Paul getan hatte. Serane verstand es, obwohl Paul diese ungeheure Tat nicht so sehr für ihn, als vielmehr im Zusammenhang mit ihm getan hatte. Serane kannte die tiefen, unterirdischen Ströme, die die Menschen dazu brachten, Dinge zu tun. Er sah die tote Hand und die konfuse Verwirrung der Identitäten, die Paul bei seiner Tat geführt hatte. Entsprangen alle Freundschaften einem so seltsamen, tragischen Boden? Er wußte es nicht, aber er hoffte, daß es nicht so war.
Wie Paul erwartet hatte, gab es im Labor beträchtliche Reaktionen. In den folgenden Tagen kam er immer wieder an kleinen, ins Gespräch vertieften Gruppen von Leuten vorbei, die verstummten, wenn er erschien. Er wußte, daß sie sich umdrehten und ihm nachschauten. Allmählich sickerten die Namen zu ihm durch. Blandford, der Irre. Blandford, der Menschenfresser. Blandford, der Schänder. Sogar ein paar komische waren dabei. Blandford, der Superpatriot. Blandford, der Streber. Und es würde nie wieder ganz versiegen. Es würde in die Firmenlegende eingehen und von Generation zu Generation weitergegeben werden. Er fand ein wenig Trost in der Wahrscheinlichkeit, daß in ein paar Jahren niemand, der bei Verstand war, glauben würde, daß es tatsächlich geschehen war.
Am Tag nach der Zeugeneinvernahme bekam er einen langen Brief von Razmic Mukerjee.
Kalkutta 1. August 2006
Lieber Paul,
wenn Sie die Nachrichten verfolgt haben , dann wissen Sie, daß die Novarelle-Epidemie Cuttack übersprungen hat und jetzt hier in Kalkutta angekommen ist.
Ich leite hier die Einsatzgruppe des Nationalen Gesundheitsinstituts. Letzte Woche haben wir 25 Kilo c/l-Trialin an die Ortskrankenhäuser verteilt und den Leuten dort gezeigt, wie sie es verwenden sollen. Wir verbinden unser cis- Trialin jetzt mit seinem Purinverwandten Xanthin (2,6-Dihydroxypurin). So läßt es sich oral verabreichen. Die Verbindung löst sich allmählich, und das Trialin kann über einen Zeitraum von mehreren Stunden hinweg von den betroffenen Zeilen aufgenommen werden.
Wir haben einen kurzen Abstecher zum U. S.-Konsulat gemacht und jeden geimpft, den wir zu fassen kriegten, einschließlich einiger Besucher von Ihrem Patentamt …
23
Die Anhörung
In der letzten Septemberwoche war es an der Ostküste ungewöhnlich warm. Als die Trialin-Schlußanhörung einberufen wurde, war Paul unschlüssig, was er anziehen sollte. Die Anhörungssäle im Patentamt in Virginia waren natürlich klimatisiert, aber draußen würde es heiß und schwül sein. Er hatte gehört, daß am Swimmingpool der Crystal Plaza Apartments gegenüber vom Patentamt die Mädchen sogar in der Sonne lagen.
Er holte Mary Derringer in New York ab, und zusammen durchstöberten sie die Bekleidungshäuser in der Stadt nach einem neuen Anzug für die Anhörung. Sie fand einen leichten Kammgarnanzug, braun, mit einem sanften, grünlichen Schimmer. Er gefiel ihm sofort.
„Möchtest du, daß ich mit dir zur Anhörung komme?“ fragte sie.
„Wie soll ich denn klar denken, wenn du im selben Raum bist?“
„Das ist sehr galant, aber ich habe verstanden. Und was ist hinterher?“
„Das wäre nicht schlecht. Ich besorge dir eine Reservierung für Freitagabend. Wir können Samstagmorgen zusammen frühstücken.“
Am nächsten Tag rief er
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