Der Kater der Braut: Roman (German Edition)
Tag, länger kann ich das Knarren und Quietschen meiner Gelenke beim besten Willen nicht ignorieren.«
»Dann stell doch einfach dein Hörgerät ab«, zog ich ihn auf. Ich widerstand der Versuchung, Philipp weiter auf den Zahn zu fühlen. Auch wenn es mir schwerfiel: Ich musste Lili ihre eigenen Erfahrungen machen lassen. Was zwischen Philipp und meiner Schwester ablief, ging mich nichts an. Schnell wechselte ich das Thema: »Komm, Opa, erzähl mir einen Schwank aus deiner Jugend. Wie warst du denn so mit neunzehn?«
»Eine Kreuzung aus James Dean und Lucky Luke. Ein Rebell, der die Welt verbessern wollte, aber irgendein Gig oder ’ne Party ist immer dazwischengekommen. Ich glaube, das war letzten Endes auch der Grund, warum ich Journalismus studiert habe. Du wirst es nicht glauben, aber damals an der Uni hatte ich vielleicht nicht allzu viel im , dafür jedoch jede Menge auf dem Kopf.« Mit der Hand fuhr er sich durch seine strubbeligen Haare, die an der Stirn langsam zurückzuweichen begannen.
»Das kann ja jeder sagen. Hast du Beweisfotos?«
»Ja, klar.« Philipp kramte ein Weilchen in seinem Wohnzimmerschrank herum, bevor er sich, mit einem Schuhkarton bewaffnet, neben mir auf die Couch fallen ließ. »Ich nehme mir schon seit Jahren vor, die Bilder mal in ein Album zu kleben, aber …«
»… irgendein Gig oder ’ne Party ist immer dazwischengekommen«, beendete ich seinen Satz lachend.
»Hey, du kennst mich wirklich schon sehr gut.«
In der nächsten Stunde lernte ich ihn noch besser kennen. Die Fotos zeigten Philipp in allen möglichen Lebenslagen. Sogar nackt in der Badewanne, da war er allerdings erst zwei. Auf einigen Bildern entdeckte ich auch gute alte Bekannte wieder: Frau Groß und Paul Senior. Beim Betrachten der Fotos fielen Philipp immer wieder kleine unterhaltsame Begebenheiten aus seiner Vergangenheit ein. Gut, dass er beim Radio gelandet war. Es machte ganz einfach Spaß, ihm zuzuhören.
Als ich nach der Weinflasche griff, um mir noch ein Schlückchen nachzuschenken, fegte ich mit dem Ellenbogen den Schuhkarton vom Tisch und die Fotos stoben wild in alle Richtungen auseinander. Philipps Vergangenheit lag nun ausgebreitet zu meinen Füßen.
Warum musste ich nur immer so ungeschickt sein?! »Mist! Manchmal kann ich meine Herkunft einfach nicht verleugnen. Ich benehme mich wie ein Bauerntrampel.«
»Ach was, ist doch halb so wild.«
Auf allen vieren krabbelten wir gemeinsam auf dem Teppichboden herum und sammelten die verstreuten Bilder ein. Als wir gleichzeitig nach einem Foto aus Philipps Sturm- und Drangzeit griffen – mit rebellischer Miene und wilder Punkfrisur starrte er in die Kamera –, trafen sich unsere Fingerspitzen. Eine zufällige Berührung, die nichts zu bedeuten hatte. Und doch kam es mir so vor, als wäre durch diesen kurzen Kontakt ein Stromkreis geschlossen worden. Ein Schauer durchrieselte meinen Körper. Ich bekam eine Gänsehaut, und die feinen Härchen an meinen Armen richteten sich auf.
Hastig zog ich meine Hand zurück. Obwohl die Berührung nicht länger als den Bruchteil einer Sekunde gedauert haben konnte, hatte sie mich in wilde Aufruhr versetzt. Während mein Herz pochte wie ein Presslufthammer, war der Rest meines Körpers wie gelähmt. Selbst wenn ich es gewollt hätte, wäre ich nicht imstande gewesen, mich auch nur einen Zentimeter von der Stelle zu rühren.
Großer Gott, was ging hier vor?!
Auch Philipp machte keine Anstalten aufzustehen. Im stabilen Vierfüßlerstand – kniend, den Oberkörper auf den Händen abgestützt – hockten wir uns gegenüber und starrten uns wie gebannt in die Augen. Unsere Gesichter waren sich dabei so nahe, dass ich Philipps warmen Atem an meiner Wange spürte. Die Welt schien für einen Moment stillzustehen, so als hätte jemand die Pause-Taste am Videorekorder gedrückt. Reglos verharrte jeder von uns in seiner Position. Dann, ganz plötzlich, ging ein Ruck durch unsere Körper. Keine Ahnung, was für magische Kräfte oder Naturgewalten da am Werke waren! Wie unterschiedlich gepolte Magnete wurden wir zueinander hingezogen.
Unsere Lippen fanden sich, verschmolzen miteinander, liebkosten sich zärtlich und saugten sich schließlich wild und leidenschaftlich aneinander fest. Philipp war ein fantastischer Küsser! Das fantasievolle Spiel seiner Zunge raubte mir schier den Verstand. Endlich, als ich schon glaubte, es kaum noch ertragen zu können, riss mich Philipp in seine Arme. Ich schmiegte mich an ihn und genoss
Weitere Kostenlose Bücher