Der Kater der Braut: Roman (German Edition)
ersten Mal in meinem Leben flog ich Businessclass. Mehr als der Champagner, das tolle Essen und der zuvorkommende Service beeindruckte mich jedoch die Aussicht: Ich hatte den ganzen Flug über freien Blick auf meine Füße. Fantastisch! In der Touriklasse, wo man so eng zusammengepfercht saß wie in einer Sardinenbüchse, konnte man sie nicht sehen – und spüren nach einer Weile auch nicht mehr. In der Businessclass war das anders. Und so fühlten sich meine Füße frisch und ausgeruht, als sie das erste Mal amerikanischen Boden betraten. Wow, das war ein Wahnsinnsgefühl! Mir hätte nicht feierlicher zumute sein können, wenn mich der Präsident persönlich willkommen geheißen hätte.
Vom ersten Augenblick an war ich total fasziniert von diesem Land. Beim Anblick der Golden Gate Bridge, die majestätisch aus den Nebelschwaden emporragte, bekam ich sogar eine Gänsehaut. Ich konnte mich nicht daran erinnern, dass ich mich am Fuße der Oberkasseler Brücke schon jemals so ergriffen gefühlt hatte. In den USA war irgendwie alles eine Nummer größer. Sogar die Verpackungseinheiten in den Supermarktregalen. Es gab Chipstüten, die aussahen wie Zementsäcke! Unfassbar. Mit einer dieser Jumbopackungen konnte locker eine ganze Kleinstadt einen Fernsehabend bestreiten.
Nach drei Tagen verließen wir San Francisco und fuhren mit unserem Mietwagen in Richtung Los Angeles weiter. Unterwegs machten wir etliche Male Halt, um zu übernachten, Sehenswürdigkeiten zu besichtigen oder die wunderbare Landschaft zu genießen. Meist waren wir den ganzen Tag über auf den Beinen und fielen abends todmüde ins Bett.
Innerlich beglückwünschte ich mich zu meinem Entschluss, Ludger auf diese Reise zu begleiten. Ich genoss jede Minute und schaffte es sogar, die Gedanken an zu Hause fast vollständig zu verdrängen. Wir befanden uns in einer komplett anderen Welt. Und Ludger tat alles, was in seiner Macht stand, um sie mir zu Füßen zu legen. Es kam mir vor, als hätte ich das Rund-um-Sorglos-Paket gebucht. Ludger war der perfekte Reiseführer und der charmanteste und aufmerksamste Begleiter, den man sich wünschen konnte. Ich brauchte nur mit dem Finger zu schnippen, und schon war er mit einem Blaubeermuffin, einer englischen Vokabel oder was immer mir gerade fehlte, zur Stelle.
Einen Tag vor Ludgers Geschäftstermin erreichten wir L.A., die amerikanische Filmmetropole, das Mekka der Schönen und Reichen. Während er seinen geschäftlichen Verpflichtungen nachging, machte ich mich, ausgestattet mit seiner Kreditkarte, auf den Weg zum Rodeo Drive, um mich in den Edelboutiquen von Kopf bis Fuß neu einzukleiden. O. K., das hier war zwar Hollywood, aber ich nicht Julia Roberts und Ludger nicht Richard Gere. Meine Version der Geschichte unterschied sich von Pretty Woman in einem kleinen, aber nicht ganz unwesentlichen Detail: Zwar klapperte ich tatsächlich die Boutiquen am Rodeo Drive ab, aber nicht, um hemmungslos zu shoppen, sondern um mir Anregungen für meine eigenen Entwürfe zu holen. Und davon fand ich reichlich. Ich konnte es kaum erwarten, meine Ideen zu Papier zu bringen. Aber das musste warten, bis wir wieder in Deutschland waren. Denn während unseres Trips war ich viel zu sehr damit beschäftigt, all die neuen Eindrücke, Erlebnisse und Stimmungen zu verarbeiten, die fast ununterbrochen auf mich niederprasselten.
Das nächste Highlight und gleichzeitig Endstation unserer Reise war Las Vegas. Obwohl ich keine Spielernatur war und mir das Ausfüllen eines Lottoscheins nicht mehr Nervenkitzel bereitete als das Schreiben einer Einkaufsliste, wurde ich von einer merkwürdigen Unruhe ergriffen. Die Stadt pulsierte und brodelte – vor allem nachts. Schnell passten wir uns dem Rhythmus an: Den Tag vertrödelten wir träge am Pool, und abends ließen wir uns einfach treiben, bestaunten die aufwendig inszenierten Shows, mit denen die großen Hotelpaläste um die Gunst der Gäste buhlten, und zockten im Casino. Wo sonst auf der Welt – außer vielleicht in Disney World – findet man auch eine so perfekt inszenierte Scheinwelt vor? Angefangen von den imposanten Marmorsäulen, die hohl wie Schnittlauchhalme waren, bis hin zu den falschen Wimpern und Brüsten der Kellnerinnen – ganz Vegas schien ein einziger großer Bluff zu sein. Keine Illusion, sondern verdammt real war leider Gottes das Rückreisedatum auf unserem Flugticket.
Ehe wirs uns versahen, war der letzte Abend auf amerikanischem Boden gekommen. Seufz, am kommenden
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