Der Katzenelf (German Edition)
rundet. Und nun lebe wohl!“
Damit wandte sie sich von Isa ab und schritt erhobenen Hauptes die Stiegen wieder hoch. Isa sah, wie ihr mondsilbernes Haar ihren fragilen Körper wie ein Umhang umwehte und dann hörte sie den metallischen Knall der Palasttüre, als diese sich hinter der Elfenkönigin schloss. Es klang so endgültig und hart. Traurig wandte sich Isa um.
Jetzt wurde der Himmel gegen Osten schwarz, und Hunderte von Rabenvögeln setzten zur Landung im Schlosshof an. Einer aus ihren Reihen versprühte schwarzsilberne Funken und aus diesen entstieg Yuki, ihren riesigen blauschwarzen Federmantel schüttelnd. Sie lächelte Isa an und sagte. „Bist du bereit, Menschenfrau?“ Und als diese nickte, hüllte sie sie und Walid in ihren dunklen Sternennebel ein. Isa wirbelte leicht wie ein Vogel mit ihr dem Himmel zu. Ihr Herz jedoch war schwer vor Kummer, als sie gegen Nordosten flogen.
Taras war nicht gekommen um ihr lebe wohl zu sagen! Wollte oder konnte er nicht Abschied nehmen? Würde sie ihn jemals wieder sehen, außer vielleicht künftig in ihren Träumen? Doch nun entfernte sie sich von ihm, Meile um Meile flogen sie schwerelos am bleigrauen Morgenhimmel dahin. Traurig sah sie, wie unter ihr das Schloss der Elfen und der Rosengarten immer kleiner und kleiner wurde. Alles verschwand in unglaublicher Eile. Das letzte, was sie erkennen konnte, war, dass die Sonne, die sich jetzt langsam durch das Grau des Morgens kämpfte, die roten Dachziegel des Palastes, den Waldsee bei der Eiche und die sattgrünen Wiesen und Wälder ringsherum mit einem goldenen Schimmer überzog.
Dann ließen sie alles unter und hinter sich und Isa verschwand mit Yuki, Walid und dem Gefolge der Rabenvögel in den Wolkenfetzen. Sie spürte, dass sie immer höher und höher stiegen. Isa war plötzlich so müde, dass sie ihren Kopf ermattet an Yukis fedrigen Mantel lehnte. Dann schlief sie ein.
VIERUNDDREISSIGSTES KAPITEL
Heute in Isas Welt
WOHIN MIT MIR?
Es schneite. Die dichten Flocken verhüllten die Landschaft in weißes Nichts. Wie weiche, zarte Federn fiel der Schnee auf Isa, berührte zärtlich ihre Wangen und zerschmolz zu kleinen Tropfen auf ihren Lidern und Lippen. Sie öffnete ihre Augen. Zuerst sah sie nur grauweiße Schleier, doch dann, als sie sich ruckartig aufsetzte, erkannte sie, dass sie am Stamm der riesigen Fichte lehnte, hinter ihr der kalte, steinige Felsen. Sie war am Joch und jetzt hörte sie auch das vertraute Glucksen der Quelle unter der dicken Schneedecke. Die Elfenschleier waren fort. Sie trug wieder ihren Anorak und ihre Sporthose und ihre alten, derben Turnschuhe.
Sie fuhr mit ihrer Hand unter ihre Jacke und fühlte den Beutel mit dem Rubin und dem schweren Goldreif. Schnell zog sie ihn hervor und öffnete ihn. Nein, diesmal war es kein Traum, sondern sie hatte wirklich für einige Zeit im Verborgenen Reich gelebt! Das Strahlen des sternförmigen Diamanten und der rote Schein des Rubins leuchteten aus dem Ledersack, den sie um den Hals getragen hatte, zusammen mit ihrem Korallenamulett. Ja sie war drüben gewesen, in dieser schönen, fremdartigen Welt. Bei Taras ihrem Geliebten, ihrem Elfenprinzen.
Sie lächelte der großen Fichte zu und flüsterte: „Bist du da Faniris?“ Doch der Baum antwortete nicht, auch breitete er weder wie sonst zärtlich seine dichten Zweige über sie, noch schüttelte er den Schnee ab, der auf ihnen lag. Faniris war also nicht da. Mühsam rappelte sie sich auf. Etwas stupste ihre Knie und als sie sich umdrehte, sah sie Walid, der sich an ihre Füße schmiegte und sie streichelte ihn voller Liebe. Dann hörte sie das vertraute Krah, Krah eines Rabenvogels und durch die dichten Schneeflocken erkannte sie Krahil, der ihr aufmuntert zurief und dann talwärts flog. Auch sie begann nun durch den schon hohen Schnee abwärts zu stapfen. Plötzlich sah sie vor sich, schon fast vom Schnee überweht, Fußspuren. Klein und schmal, wie die Füße eines Kindes. Sie konnte die einzelnen, schlanken Abdrücke der Zehen im nassen Weiß genau erkennen!
Irgendjemand musste kurz, bevor sie aufwachte durch den verschneiten Wald barfuß schon ins Tal abgestiegen sein und sie wunderte sich, warum der oder diejenige sie im Schnee liegen ließ und nicht aufweckte oder sich um sie kümmerte. War es Kuzo? Hatte auch er sie begleitet? Ungefähr hundert Meter unterhalb des Jochs blieb sie überrascht stehen. Vor hier bis ins Tal hinunter war eine gewaltige Schneise in den Wald geschlagen
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