Der Kaufmann von Lippstadt
Verbeugung und einem hämischen Grinsen geht Caspar Engerling Richtung Cappelstraße.
»Was haben Sie denn mit dem Engerling zu schaffen?«, fragt Johanna ihren Mann, als Engerling außer Hörweite ist.
»Nichts. Er hat auch bei der Räumung der Munitionslager geholfen. Das ist ein Großmaul ohnegleichen. Überheblicher Abschaum, dieser dahergelaufene …«, ereifert sich Overkamp.
»Ferdinand! Bitte nicht vor den Kindern!«, fällt ihm Johanna ins Wort. »Was ist nur los mit Ihnen. Ihre Manieren? Bitte …«
»Wie sprechen Sie eigentlich mit mir? So nicht. So nicht!«, empört sich Ferdinand Overkamp.
»Entschuldigen Sie bitte«, sagt Johanna leise.
»Ist schon gut«, beschwichtigt er seine Gemahlin. Sie ist immer noch ungehalten über sein gestriges Verhalten, die späte Rückkehr von Helfmanns Land und die ruinierte Kleidung. Berta, die alte Magd, hatte lange mit kaltem Wasser das Blut aus seiner Kleidung zu waschen versucht, doch es ist ihr nicht zur Gänze gelungen.
25ter Junij 1764
In aller Herrgottsfrühe treffen sich die Männer, um endlich die Grube zu schließen. »Es ist noch nicht alles Pulver aus der Stadt!«, ruft Amtmann Möller. »Aber das meiste ist weg. Über das Pulver, das jetzt noch da ist, muss der englische Commissaire de Wyer verfügen. 71 Vielleicht kann es der Magistrat kaufen, um es dann fortzuschaffen. – Männer! Jetzt packt alle noch mal kräftig an, wir verschließen die Grube endgültig. Es kommt nichts mehr rein!«
… und raus!, denkt Ferdinand Overkamp und ist froh, dass niemandem aufgefallen ist, dass hier ein Blutbad angerichtet worden ist, obwohl man deutlich hat erkennen können, dass an der Lippe etwas geschehen ist. Auch seinen Spaten hat er an einen Baum gelehnt gefunden. Das Blut ist dank des daran klebenden Sandbodens kaum zu erkennen gewesen.
*
Nun stehen Spaten und Spitzhacke gereinigt dort, wo auch das andere Werkzeug im Hause Overkamp lagert. Overkamp selbst sitzt in seinem Kontor und versucht, die Bilder des toten Köpner aus dem Kopf zu bekommen und zum Tagesgeschäft überzugehen, als jemand mit dem Messingklopfer an der Tür um Einlass bittet. Er ahnt, dass es Engerling ist, der Unheil bringt. Dennoch bittet Overkamp ihn hinein.
»Guten Tag, was kann ich für Sie tun?«, fragt Overkamp der alten Gewohnheit zufolge.
»Viel. Sehr viel«, antwortet Caspar Engerling aufgekratzt und reibt sich die Hände. »Ich hätte gerne …«, er sieht sich um. »Ich hätte gerne …«, beginnt er von vorne. Und weil Caspar Engerling keinen Plan geschmiedet hat und ihm auch nicht augenblicklich etwas einfällt, fordert er schlicht: »Alles!«
»Alles?«, fragt Overkamp erschrocken. »Was meinen Sie?«
»Ich möchte alles, was Sie besitzen«, verlangt Caspar Engerling.
»Sie sind ja nicht bei sich. Das geht doch nicht. Ja haben Sie denn genügend Geld?«, erkundigt sich Overkamp.
»Das brauche ich nicht. Sie geben es mir ohne Bezahlung«, erklärt Engerling.
»Warum, um Himmels willen, sollte ich das denn machen?« Er hofft, dass dieser armselige Schuster sich lediglich einen Scherz mit ihm erlaubt. Doch er ahnt schon, dass es nicht so ist.
»Warum? Ich könnte bei Dr. Rose und Herrn Schmitz vorsprechen. Die beiden ehrenwerten Herrn Bürgermeister möchten bestimmt wissen, wo Anton Köpner ist«, lässt Engerling die Katze aus dem Sack. »Und bestimmt möchten die Herren Bürgermeister auch wissen, welch grausames Schicksal den armen Herrn Köpner, der nie einer Fliege etwas zuleide tat, ereilt hat. Sie verstehen?«
Overkamp ist bleich geworden. Hört denn dieser Fluch nie auf? Immer, wenn er glaubt, jetzt werde es besser, jetzt habe er alles geregelt, taucht von irgendwoher neues Unheil auf. Sollte er diesen Fiesling Engerling auch noch beseitigen? Schlimmer konnte es ohnehin nicht werden. Wenn er jetzt hier direkt – nein, hier scharwenzelt sein Kaufmannsdiener Buersmeyer herum. Ein ehrenwerter Lippstädter Kaufmann darf sich von einem einfachen Schuster nicht die Karten aus der Hand nehmen lassen, ruft er sich selbst zur Räson und nimmt eine aufrechte Haltung an.
»Was schlagen Sie vor?«, erkundigt sich Caspar Engerling.
»Lassen Sie mich überlegen. Geben Sie mir Zeit. Ich brauche einen Plan«, gibt Overkamp vor. »Alles will wohl überlegt sein.« Ihm gefällt die Doppeldeutigkeit. Die Angelegenheit Köpner wurde durch eine glückliche Fügung beendet, und für eine ähnliche Lösung würde Gott schon sorgen, dessen ist sich Overkamp sicher,
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