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Der Kaufmann von Lippstadt

Der Kaufmann von Lippstadt

Titel: Der Kaufmann von Lippstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Maria Fust
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bestellt sich Wildgulasch ›Mentzelsfelder Art‹. »Trinkst du auch ein Glas Wein dazu? Dann hole ich da vorne welchen.«
    »Ja, einen Weißwein, halbtrocken bitte. Ich warte hier auf unser Essen. Hoffentlich finden wir zwei freie Plätze im Zelt«, überlegt Annika.

    »Du bist so richtig westfälisch, oder?«, fragt Oliver, als sie zwei freie Stühle an einem Tisch besetzt haben.
    »Na ja, was heißt schon ›westfälisch‹? Aber es stimmt schon. Irgendwie kamen alle meine Vorfahren aus Paderborn und Umgebung. Mein Opa stammte aus Wewer, meine Oma aus Borchen. Ich finde es aber auch gut. Und das typisch westfälische Essen mag ich auch gerne. Grünkohl mit Mettenden. Bohnen. Bratkartoffeln, Salzkartoffeln, Kartoffelpüree. Also Kartoffeln gehen immer. Die machen schön lange satt«, erzählt Annika.
    »Wusstet du, dass Friedrich II. die Kartoffel in Preußen und somit auch in Westfalen eingeführt hat? Der hat ja so allerlei Reformen auf den Weg gebracht. Das hat auch Lippstadt …«
    »Jetzt bist du wieder bei deinem Lieblingsthema angelangt. Was macht denn eigentlich der Schädel aus der Weide?«, erkundigt sich Annika.
    »Ja, das ist ganz spannend. Dieser Schädel soll tatsächlich aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts stammen, hieß es bei der Pressekonferenz«, berichtet Oliver. »Der Rest des Skeletts ist vermutlich vom Wasser weggespült worden, oder es hat jemand tatsächlich nur einen Kopf begraben. Ob es sich um einen Mord handelte, oder ob es einfach nur ein Unfall war, scheint man nicht mehr feststellen zu können. Und selbst wenn man wüsste, dass dieser Mensch umgebracht worden wäre, wüsste man noch lange nicht, ob es ein privates Motiv war, oder ob der Krieg schuld war. Der Siebenjährige Krieg hat ja zu jener Zeit auch in dieser Gegend gewütet, sodass der Mensch auch im Gefecht erschossen oder sonst wie getötet worden sein könnte.«
    »Hm …«, macht Annika.
    »Jetzt stell dir mal vor, dass unser Overkamp …«
    » Dein Overkamp«, unterbricht ihn Annika.
    »Gut. Stell dir also vor, dass mein Overkamp jemanden erschossen hat. Peng – tot. Dann musste er ihn wegschaffen, begraben. Wie auch immer. Der Schädel könnte also direkt etwas mit unse… meinem Overkamp zu tun haben«, freut sich Oliver.
    »Könnte, könnte, ja, aber es könnte genauso gut ganz anders gewesen sein. Die beiden Toten, also der bei den Baggerarbeiten gefundene und der Schädel aus der Weide, die beiden könnten etwas miteinander zu tun haben. Die geografische Nähe lässt eine solche Vermutung zu«, spekuliert Annika.
    »Ja, vielleicht hat der Overkamp auch zwei Menschen oder noch mehr umgebracht. Warum bloß?«, überlegt Oliver.
    »Vielleicht wirst du das nie erfahren. Es gibt einfach Dinge, Begebenheiten meine ich, Gründe für irgendein Verhalten, die du einfach nie herausfinden wirst. Wenn jemand eine Straftat begeht, schreibt er natürlich keinen Bericht darüber, den du dann Jahrhunderte später in irgendeinem Archiv ausgraben kannst. Freunde dich mal mit dem Gedanken an, dass du ein Geheimnis gefunden hast, es aber nicht wirst lüften können. So etwas gibt es immer wieder«, referiert Annika. »Ich hole noch mal Wein. Nimmst du noch einen Roten?«
    »Ja gerne.« Oliver hängt seinen Gedanken nach. Es gefällt ihm nicht, aber vielleicht hat Annika recht. Es sind so viele ›Vielleichts‹ in seinen Überlegungen, alles so vage, zusammengereimt, zurechtgelegt, gebogen, wie es gerade passt. Vielleicht habe ich mich auch völlig verrannt, überlegt Oliver. – Noch ein ›Vielleicht‹, fällt ihm auf.
    »Weißt du, was mir eingefallen ist?«, beginnt Annika, als sie wieder an den Tisch herantritt. »Der Overkamp kann gar nicht …« Jemand stößt sie an, stolpert, und so begießt Annika sich selbst und Oliver mit Rotwein. »Oh, Mann!«, schreit Annika. »Haben Sie keine Augen im Kopf? Stoffel!«
    »Oh, guten Abend, Herr Overkamp«, begrüßt Wolfgang Engerling Oliver. »Immer noch zu Gast in Lippstadt? Sie erinnern sich doch?«, erkundigt sich Engerling herablassend. »Mir gehört das Haus Ihres Freundes Ferdinand Caspar Theodor Overkamp.«
    »Was reden Sie denn für einen Stuss?« Annika kann der Unterhaltung nicht folgen.
    »Ich heiße nicht Overkamp! Was bilden Sie sich eigentlich ein?«, ruft Oliver. »Schauen Sie mal, wie wir jetzt aussehen. Alles ist nass und voller Flecken.«
    Engerling grinst, ohne ein Wort zu sagen.
    »Sie … Sie …«, Oliver ringt nach Worten. »Sie arrogantes

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