Der Kaufmann von Lippstadt
Overkamp sein Haus halbherzig an.
»Aber Sie sind ja nicht bei sich. So geht das nicht«, stellt Dr. Rose fest.
»Ach nein? Wie denn?«, fragt Overkamp scheinheilig.
»Sie brauchen einen tatsächlichen Käufer, wenn es Ihnen wirklich ernst ist. Einen Käufer, der Ihr Haus haben möchte und der zahlungsfähig ist. Sie brauchen doch das Geld, nicht wahr?«
Overkamp nickt verzweifelt.
»Ich habe ja den Caspar Engerling in Verdacht. Der hat Sie in der Hand, oder? Was ist hier los?«
»Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen«, lügt Overkamp und ringt um Fassung.
»Wollen Sie wirklich verkaufen? Denken Sie noch mal darüber nach«, empfiehlt Dr. Rose. Er wird Bürgermeister Kellerhaus und Amtmann Claudius von diesem Gespräch berichten müssen, denn so geht es einfach nicht weiter.
Noch in der Kirchgasse kommt Dr. Rose Caspar Engerling entgegen. Dr. Rose will am Schuster vorbeigehen; er ahnt nichts Gutes, als er den Engerling sieht, doch dieser versperrt ihm den Weg.
»Waren Sie etwa bei Overkamp?«, fragt Engerling sehr interessiert und baut sich vor Dr. Rose auf.
»Ich bin Ihnen keine Antwort schuldig. Wie sprechen Sie eigentlich mit mir? Ich bin im Rat!«
»Noch. Wenn ich erst einmal im Rat bin und Einfluss in der Stadt habe, werden Sie sich an neue Gesetze gewöhnen müssen. Dann mache ich die Regeln!«, prophezeit Engerling.
»Sie sind ja nicht gescheit!«, ruft Dr. Rose empört. »Wenn Sie so mit unserem ehrenwerten Overkamp umgehen, wundert es mich nicht, dass er verkaufen will«, entfährt es Dr. Rose ungewollt.
»Sieh an, sieh an. Overkamp will verkaufen?«, sagt Engerling mehr zu sich selbst.
Das hätte ich nicht sagen sollen. Das war gar nicht gut. Ich muss es sofort Overkamp berichten. Er muss Bescheid wissen. Wer weiß, was der Engerling für ein Spiel spielt, denkt Dr. Rose und ahnt nicht, wie nah er damit an der Wahrheit liegt. Für einen Moment sieht es so aus, als wollten beide Männer – Dr. Rose und Engerling – gemeinsam zu Overkamp ins Kontor. Doch am Ende der Kirchgasse, an der Ecke zur Judenstraße, tauchen plötzlich Bürgermeister Kellerhaus und Amtmann Claudius auf.
»Dr. Rose! Wir haben vielleicht Bernhard Buersmeyer gefunden. Kommen Sie schnell!«, ruft Kellerhaus.
»Sagen Sie nur! Wo denn? Tot oder lebendig?«, ruft Dr. Rose überrascht und bemerkt nicht das kurze, erschrockene Zucken des Caspar Engerlings. »Ich komme«, sagt Dr. Rose und wendet sich zum Gehen.
Wie selbstverständlich läuft Engerling hinter Kellerhaus, Claudius und Dr. Rose her. Wenn jetzt, kurz bevor er, Engerling, alles von Overkamp übernimmt, herauskommt, dass er … Nein, das darf nicht wahr sein! Sie dürfen den Buersmeyer nicht gefunden haben. Der liegt so weit draußen vor den Toren der Stadt; Richtung Stift Cappel wurde er auf Nimmerwiedersehen verscharrt; sie können ihn nicht gefunden haben. So kurz vor seinem Ziel darf jetzt nichts dazwischenkommen. In der Kirchgasse, als Dr. Rose sagte, dass Overkamp verkaufen wolle, dachte Engerling, es sei zu schön, um wahr zu sein. Verkauf! Nichts leichter als das. Er zahlt dem Overkamp einen kleinen Betrag, einen ganz kleinen, versteht sich, aus dessen eigener Kasse, und schon gehört das Haus ihm. »Schließlich lernt ein Caspar Engerling stets dazu«, sagt er tonlos zu sich selbst. Versteigerungen bringen die Gefahr mit sich, dass jemand anderes mehr bietet. So ein Hitzkopf wie der Clüsener zum Beispiel. Oder Justizrat Rose oder Bürgermeister Kellerhaus selbst. Warum auch Dr. Rose und Diedrich Zurhelle bei der Versteigerung der Mobilien gewesen sind, weiß anscheinend niemand. Aber über Justizrat Rose sagt man, es sei seine Lieblingsbeschäftigung, zu kaufen und gewinnbringend zu verkaufen. Rose versteht etwas von seinem Geschäft. Und wenn ihm, Engerling, so jemand in die Quere käme … Nein, das darf nicht passieren. Zur Not würde er …, nein, das geht nicht. Er kann ja nicht alle töten. Aber wenn er nur so zu seinem Ziel, zu seinem Haus kommt? Jetzt geht es aber um Buersmeyer. Den Kaufmannsdiener des Overkamp hat seit dem Jahrmarkt an Bartholomäus niemand mehr gesehen. Die ganze Stadt fragt sich, wo Buersmeyer bloß steckt. Niemand weiß, dass sie ihn längst gefunden haben. Zum Teil: die Zunge! Aber nur er, Engerling, weiß, welch grausames Schicksal Bernhard Buersmeyer ereilt hat. Buersmeyer hat seiner Tochter etwas andichten wollen, das wäre einem Rufmord gleichgekommen. So hat er, Engerling, schnell und entschlossen handeln
Weitere Kostenlose Bücher