Der Keil des Himmels
Geiste und durch das ghan , das Gesetz des Schicksals.“
Bruc erwiderte darauf nichts, schien nur weiter interessiert dem allgemeinen Diskurs zu folgen.
Ihre Kontroverse jedenfalls schien darüber vergessen. Nur Lhuarcans Blicke kehrten hin und wieder mit einem Zug von Trotz und Verbitterung zu ihm zurück.
„Es tut mir leid, wenn ich dich durch mein Temperament und meine unüberlegte Offenheit in eine missliche Situation gebracht habe“, sagte Auric, als sie schließlich gemeinsam die Halle des Neuen Rings verließen.
Der Neue Ring. Wieder hatten sie etwas einen Namen gegeben, hatten ihm damit fast unmerklich eine fassliche Gestalt verliehen.
„Dich trifft keine Schuld“, erwiderte Darachel. „Du hast nichts anderes getan, als die Wahrheit auszusprechen. Du hast damit nur offenbar gemacht, was ohnehin existent war. Was sich nur einige unseres Zirkels weigern zu sehen.“
Auric schritt schweigend an seiner Seite weiter, ging anscheinend mit sicherem Tritt durch die Gänge, die für ihn zunächst so fremd und verwirrend gewesen waren. Darachel sah es mit einem plötzlichen Staunen. Der Menschenmann, dessen Anwesenheit in ihrer Feste zunächst ein beispielloses Ereignis gewesen war, das einen Aufruhr im Gewebe dieses Ortes geschaffen hatte, schritt durch die hohen Kammern von Himmelsriff, als sei er einer der ihren.
Wahrhaftig, Auric trug keine Schuld. Er war nur der Auslöser für etwas gewesen, das schon in ihnen vorhanden gewesen war. In allen, die sich zu ihrem Zirkel zusammengefunden hatten.
Sie hatten dabei mit jedem Schritt, den sie taten, Realitäten geschaffen. Jetzt schauten sie sich erstaunt um und sahen auf welchem Grund sie standen, welche Strecke sie inzwischen zurückgelegt hatten. Wer wollte ihnen verdenken, wenn sie daraufhin die Angst erfasste? Er am allerwenigsten. War doch, wie er jetzt feststellte, diese Angst Teil seiner Geschichte gewesen. Sie war geboren worden mit dem Fortgang seines Vaters, der ihm den bisher sicher geglaubten Boden unter seinen Füßen fortgezogen hatte. Doch gründete sie in Dingen, die älter waren als dieses Ereignis. Zwar nahmen sie erst jetzt für ihn sichtbare Gestalt an, doch vorhanden gewesen waren sie schon immer. Als der missliche ungebetene Gast in seinem Inneren, der ihm beständig den Frieden rauben wollte.
Vielleicht hatte Lhuarcan ja dennoch Recht, und dies alles waren nur seine persönlichen Dämonen, und er zog sie alle da in etwas hinein, das ursprünglich nur in seiner eigenen Seele hauste.
Er sah den Adamainra stumm und in Gedanken neben sich gehen und musste nun umso mehr dessen Mut bewundern, in dem, was er erzählte, der Wahrheit seines Lebens auf den Grund zu gehen.
„Verbannung.“
Er hörte das Wort und schrak zusammen.
Auric hatte es ausgesprochen. „Dies hat eine große Bedeutung für euch. Verbannung ist anscheinend für euch eine furchtbare Drohung.“ Auric blickte nicht zu ihm zurück, während er im Gehen weitersprach. „Ich verstehe es zum Teil. Ihr lebt in Gemeinschaften, die sich aus der Welt zurückgezogen haben. Die Welt dort draußen ist von niemandem eurer Art bevölkert und ihr versteht sie nicht mehr. Sie ist für euch fremde Wildnis. Aber ich habe den Eindruck, dem Wort ‚Verbannung‘ wohnt für euch außerdem ein Schrecken inne, den ich nicht wirklich begreife.“
Wie konnte er auch. Auric sah mit den reduzierten Sinne der Adamainraé die Gewebe nicht, die alle Wesen untereinander verbanden. Sie als Ninraé dagegen nahmen sie wahr – und lebten sie; sei es in ihren Aspirationskonstellarien oder durch die Schicksalsfäden des ghan . Wenn man etwas aber nicht wahrnahm, dann fügte einem dessen plötzliche Abwesenheit auch keinen kalten, durchdringenden Schmerz zu, kein Gefühl als würde die Trennung von all den verbundenen Seelen, den Wesensclustern und Webschaften, auch die eigene Seele zerreißen.
„Wir Ninraé sind Gemeinschaftswesen“, sagte er zu Auric. „Mehr als ihr Menschen es begreifen könnt. Durch die Aszension wachsen wir noch mehr zusammen. Die Trennung vom Rest unserer Gemeinschaft wäre für uns etwas Furchtbares. Etwas, das uns auf eine Art verändert, dass wir danach nicht mehr das Gleiche sind wie der Rest unseres Volkes.“
Oder wir waren schon vorher nicht mehr das Gleiche wie der Rest unseres Volkes.
„Willst du dann, wenn so viel für dich auf dem Spiel steht, überhaupt noch unseren gemeinsamen Weg weiterverfolgen? Die Schwertschule, die Nachforschungen über eure
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