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Der Keim des Verderbens

Der Keim des Verderbens

Titel: Der Keim des Verderbens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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unheimlich wirkender Antennen und Satellitenschüsseln hinauf und verriegelte die Türen seufzend per Hand.
    »Man sollte doch annehmen, daß ich mir das mittlerweile gemerkt habe«, brummte ich.
    »Dein Freund Ring hat nach der Sitzung versucht, mich hierher zu begleiten«, sagte sie und ließ ihren Daumen von einem biometrischen Sicherheitsschloß neben der Tür abtasten.
    »Er ist nicht mein Freund«, erklärte ich. Die Eingangshalle mit der hohen Decke war mit Vitrinen voller klobiger, ineffizienter Elektronik- und Funkgeräte vollgestellt, die die Polizei benutzt hatte, bevor es die ERF gab.
    »Er wollte sich schon wieder mit mir verabreden«, sagte sie. Die einfarbig gestrichenen Korridore schienen kein Ende nehmen zu wollen, und wie immer war ich beeindruckt von der Stille und dem Gefühl, daß kein Mensch hier war. Wissenschaftler und Techniker arbeiteten hinter verschlossenen Türen in Räumen, die so groß waren, daß Autos, Hubschrauber und kleine Flugzeuge hineinpaßten. Bei der ERF arbeiteten Hunderte von FBI-Beamten, doch obwohl unsere Abteilung sich gleich gegenüber befand, hatten sie mit uns praktisch keinen Kontakt. Wir kannten noch nicht einmal ihre Namen.
    »Ich bin sicher, es gibt Millionen von Männern, die gern mit dir ausgehen würden«, sagte ich, während wir einen Aufzug bestiegen und Lucy wieder ihren Daumen in ein biometrisches Schloß steckte.
    »Aber nicht, nachdem sie eine Weile mit mir zu tun hatten«, sagte sie.
    »Na, ich weiß nicht. Ich halte es schließlich auch immer noch mit dir aus.«
    Aber es war ihr durchaus ernst. »Wenn ich erst mal Klartext mit denen rede, drehen die Typen gleich wieder ab. Ring hingegen steht auf Herausforderungen, falls du weißt, was ich meine.«
    »Nur allzu gut.«
    »Er will irgendwas von mir, Tante Kay.«
    »Hast du eine Ahnung, was? Und wo schleppst du mich eigentlich hin?«
    »Ich weiß es nicht. Es ist nur so ein Gefühl.« Sie öffnete eine Tür zum Virtual-Reality-Labor und fügte hinzu: »Mir ist da eine ziemlich interessante Idee gekommen.«
    Lucys Ideen waren immer hochinteressant. Meistens waren sie furchterregend. Ich folgte ihr in einen Raum voller Hochleistungsrechner, übereinandergestapelter Grafikcomputer und Arbeitstische, auf denen Werkzeuge, Hauptplatinen, Chips und Peripheriegeräte wie Datenhandschuhe und Monitorhelme verstreut waren. Die Elektrokabel waren zu dicken Strängen gebündelt, um die große, leere Linoleumfläche freizuhalten, auf der Lucy sich sonst im Cyberspace verlor.
    Sie nahm eine Fernbedienung in die Hand, und zwei Monitore schalteten sich ein. Ich erkannte die Fotos, die deadoc mir geschickt hatte. Groß und in Farbe leuchteten sie auf den Bildschirmen, und ich wurde langsam nervös.
    »Was soll das werden?« fragte ich meine Nichte.
    »Die Grundfrage ist natürlich immer: Bringt es für den Bediener wirklich einen Vorteil, wenn er in einen Kosmos eintauchen kann?« sagte sie, während sie Befehle in einen Computer eingab. »Bisher hattest du noch nicht die Möglichkeit, in diesen Kosmos einzutauchen - den Tatort.«
    Gemeinsam starrten wir die blutigen Stümpfe und die aufgereihten Leichenteile auf den Monitoren an, und ein eisiger Schauer kroch mir über den Rücken.
    »Angenommen, du hättest jetzt die Gelegenheit dazu«, fuhr Lucy fort. »Angenommen, du könntest deadocs Kosmos betreten?«
    Ich wollte sie unterbrechen, doch sie redete weiter.
    »Was würdest du sehen? Was könntest du tun, was du bisher nicht konntest?« sagte sie. In solchen Momenten konnte sie fast manisch werden. »Was würdest du Neues über Opfer und Täter erfahren?«
    »Ich bin nicht sicher, ob ich mit so etwas umgehen kann«, protestierte ich.
    »Natürlich kannst du. Ich hatte allerdings noch keine Zeit, den synthetischen Ton hinzuzufügen. Abgesehen von den üblichen akustischen Signalen aus dem Baukasten: Ein Schmatzen heißt, daß sich etwas öffnet, ein Klick ist ein Schalter, den man an- oder ausmacht, und ein Pling bedeutet normalerweise, daß man irgendwo gegengerannt ist.«
    »Lucy«, sagte ich, als sie meinen linken Arm nahm, »wovon redest du überhaupt?«
    Behutsam zog sie einen Datenhandschuh über meine linke Hand und kontrollierte, ob er fest genug saß.
    »Zur Kommunikation benutzt der Mensch Gesten. Diese Gesten - oder Stellungen, wie sie bei uns heißen - können wir auch dazu verwenden, mit dem Computer zu kommunizieren«, erklärte sie.
    Der Handschuh war aus schwarzem Lycra, und auf seiner Rückseite saßen

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