Der Kelch von Anavrin. Adrian schreibt als Lara Tina St. John - Adrian schreibt als Tina St. John, L: Kelch von Anavrin
murmelnd weiter von dem Eingang in die Kirche zurückwich, setzte Ariana entschlossen einen Fuß auf die Schwelle und verhinderte damit, dass die Tür geschlossen werden konnte. »Mein Bruder schwebt in Lebensgefahr, und ich werde nicht eher fortgehen, bis ich mit jemandem geredet habe. Bitte hört mir zu. Mein Bruder ist Kenrick of Clairmont. Früher gehörte er Eurem Orden an, er war ein Templer.«
Als habe sie einen geheimen Schlüssel benutzt, schienen ihr die letzten Worte die Berechtigung zu verleihen, hereingelassen zu werden. Mit gedämpfter Stimme bat der Mönch sie, im Innern zu warten, während er zu einem höhergestellten Geistlichen eilte. Mit wehender grüner Robe verschwand er durch eine Tür, die unweit des Eingangs in einen Nebenraum führte. Ariana wartete in der Stille und hörte, wie der Mönch nebenan leise mit jemandem sprach. Sie vernahm nur Bruchstücke der Unterhaltung: »Eine Frau wartet … beharrlich … ihr Bruder … Templer … spricht von … Schwierigkeiten … «
Schweigen lag über dem schmalen Korridor. Dann war aus dem Nebenraum ein Geräusch zu hören, so als schiebe jemand einen schweren Stuhl auf dem steinernen Boden zurück. Die Flamme der Fackel erzitterte, als die Tür aufging und ein alter Mann in einer langen weißen Robe heraustrat. Mit freundlichem Gesicht, den Gang vom Alter gebeugt, kam der Templer schlurfenden Schrittes auf Ariana zu und betrachtete sie mit nachsichtigem Blick. Der junge Mönch war an seiner Seite, und seine dunklen Augen huschten nun weitaus beherzter und neugieriger zu Ariana. Sie straffte die Schultern und versuchte die unverhohlen bewundernden Blicke des jungen Templers zu ignorieren.
»Das wäre dann alles, Bruder Arnaud.«
Gehorsam wandte der junge Mönch den Blick von Ariana und eilte wortlos den Korridor hinunter. Sie sah ihm nach und machte sich schon darauf gefasst, ebenfalls fortgeschickt zu werden, doch dann lächelte der alte Tempelritter und neigte den greisen Kopf zu einer verspäteten Begrüßung. Sein schütteres Haar war kurz geschoren. Im Schein der Fackel leuchtete es schneeweiß. »Bitte um Vergebung, mein Kind. Ich fürchte, den jüngeren Novizen fällt es oftmals schwer, sich an unseren strikten Verhaltenskodex zu gewöhnen. Insbesondere wenn es sich um Regeln handelt, die unser Benehmen dem weiblichen Geschlecht gegenüber betreffen. Ich hoffe, Ihr habt Euch nicht beleidigt gefühlt.«
Ariana schüttelte den Kopf. »Nein, bestimmt nicht. Es tut mir leid, wenn mein Kommen als unpassend empfunden wird, aber ich benötige Hilfe, und ich wusste nicht, an wen ich mich sonst hätte wenden können.«
»Bitte«, sprach der Templer, streckte langsam den Arm aus und bat Ariana mit einer einladenden Geste in sein Zimmer. »Tretet ein, mein Kind, und erzählt mir, was Euch bedrückt.«
Ariana ging an dem alten Mann vorbei und betrat den Raum, sichtlich bemüht, sich ihr Erstaunen über dessen prunkvolle Einrichtung nicht anmerken zu lassen. Sie hob sich deutlich von der schlichten äußeren Fassade der Templerkirche ab. Arianas nasse Stiefel standen auf einem weichen, dicken Wollteppich, der fast den gesamten Fußboden bedeckte. Nicht weniger als ein Dutzend wertvolle Kerzen brannten in polierten Messingständern, und der liebliche Duft von Bienenwachs erfüllte die Luft mit mildem Wohlgeruch. Der warme Schein des Kerzenlichts erhellte das Zimmer und beleuchtete die mit Blattgold versehenen Rücken der zahllos gebundenen Bücher, die auf breiten Steinregalen standen, die in die Wände des Raums gehauen worden waren. An einem Ende stand ein großes, mit Schnitzereien verziertes Schreibpult, das den gesamten Raum beherrschte.
»Bitte«, sagte der Templer, als er hinter Ariana eintrat. »Setzt Euch doch, mein Kind.«
Sie nahm auf einem kleinen Stuhl Platz, während er Weißwein aus einer Karaffe in einen Kelch füllte. Ariana lehnte das Getränk ab, doch der Alte nippte an dem Wein und setzte sich schließlich an das Pult auf einen thronähnlichen, gepolsterten Stuhl, der in einem Königshaus nicht fehl am Platze gewesen wäre. »Und nun erzählt mir, was Euch zu uns führt und wie Euch der Orden helfen kann.«
»Es geht um meinen Bruder Kenrick«, begann sie und berichtete von den seltsamen Umständen und Vorkommnissen, die sich ereignet hatten, seitdem sie zum ersten Mal von der Entführung ihres Bruders und den merkwürdigen Forderungen erfahren hatte.
»Du liebe Güte. Ach, du liebe Güte!« Bruder Arnaud lief den
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