Der Kelch von Anavrin: Das magische Siegel (German Edition)
Dank.«
Ariana führte Haven von dem Burgfried fort und an dem Anbau vorbei, in dem sich die Küchenräume befanden.
»Der arme Thomas hat alle Hände voll zu tun«, merkte sie an, als sie und Haven gemächlich an dem niedrigen Küchengebäude entlangschritten.
»Wie das?«
»Die Mutter der kleinen Gwen ist vor nun zwei Jahren im Kindbett gestorben. So musste sich der Ritter um das Mädchen kümmern. Er ist zwar ein guter Mann und tut sein Bestes, aber Gwen braucht eine Mutter.« Ariana warf Haven einen bedeutungsvollen Blick zu. »Und Sir Thomas braucht eine Gemahlin.«
»Warum vermählt er sich nicht aufs Neue?«
»Ich glaube, er hat bereits genaue Vorstellungen, seine Angebetete scheint aber nicht zu merken, was der Ritter für sie empfindet«, verriet Ariana mit gedämpfter Stimme. »Sie arbeitet in der Küche, eine stille junge Frau namens Enid. Sir Thomas hat darum gebeten, am Seiteneingang Wache halten zu dürfen, denn nur so gelingt es ihm, die hübsche Enid abzupassen, die mindestens dreimal am Tag vom Burgfried zu den Küchenräumen geht. Aber das würde Sir Thomas gewiss abstreiten.«
Genau in diesem Augenblick bog eine schlanke Frau um die Ecke des Burgfrieds und strebte mit beschwingten Schritten in Richtung der Küche. Sie hielt den Blick gesenkt, die langen Seiten ihrer Haube verdeckten beinahe ihr ganzes Gesicht. Ariana bedeutete Haven, einen Augenblick stehen zu bleiben, und zwinkerte ihr zu, als die junge Frau den Pfad entlangging.
»Nun, Enid. Einen guten Tag«, rief sie fröhlich.
Das Dienstmädchen schaute sogleich auf, beinahe erschrocken, hier auf dem Weg angesprochen zu werden. Sie erstarrte und sank in einen schnellen Knicks. »Oh! Wünsche einen guten Tag, Mylady. Auch Euch … werte Dame.«
»Das ist Haven«, erklärte Ariana und stellte die beiden Frauen einander vor, als das Dienstmädchen schüchtern näher trat. »Sie ist eine Weile unser Gast und erholt sich von einer Verletzung, die sie sich vor einigen Tagen zugezogen hat.«
Enid nickte und begrüßte Haven höflich. »Mylady.«
»Wie gut, dass ich dich hier treffe, Enid«, warf Ariana ein, ihr Tonfall war leicht und wohlwollend. »Wir sind eben an dem getreuen Ritter dort drüben an der Seitentür vorbeigekommen, und da fiel mir auf, dass der arme Mann seit Stunden nicht von seinem Posten abgelöst worden ist.«
Die junge Frau errötete sogleich. »Ihr sprecht von Sir Thomas, Mylady?«
»Ganz recht«, sagte Ariana mit einem wissenden Lächeln. »Sir Thomas. Er wird schon halb verdurstet sein, wenn ich bedenke, wie heiß es heute Morgen ist. Würdest du ihm einen Krug mit Ale bringen?«
»Ja, gewiss.« Die Aussicht schien sie zwar zu beunruhigen, doch sie strich sich sogleich den Rock aus grob gesponnener Wolle glatt und richtete ihre schlichte Haube. »Aye, ich werde sofort einen Krug holen, Mylady.«
Als die junge Frau zur Küche eilte, schaute Haven die Burgherrin mit hochgezogenen Brauen an. »Ihr seid ja wirklich durchtrieben.«
»Mag sein«, gab Ariana mit einem Augenzwinkern zu, ehe sie sich bei Haven unterhakte und den Weg fortsetzte. »Aber ich habe da so eine Ahnung bei den beiden, und ich würde mich nicht einmischen, wenn ich mir nicht sicher wäre, dass es hilfreich sein könnte. Zudem ist es mir ein Anliegen, dass auch andere Leute ebenso glücklich miteinander sind wie mein Gemahl und ich.«
Es war nicht das erste Mal, seitdem Ariana und Haven einander besser kennengelernt hatten, dass die Schwester des Burgherrn auf ihre Ehe zu sprechen kam. Allein der Gedanke an ihren Gemahl schien Arianas Miene zu erhellen, und ein Leuchten trat in ihre Augen. Jeder konnte sehen, dass sie ihm treu ergeben war.
»Seid Ihr schon lange verheiratet?«, fragte Haven, denn mittlerweile war sie neugierig geworden, mehr über den Mann zu erfahren, dem das Herz ihrer neuen Freundin gehörte.
»Nein, erst seit wenigen Monaten, aber mir kommt es so vor, als wären wir schon Jahre zusammen. Braedon und ich haben uns hier auf Clairmont Castle vermählt, nachdem wir Kenrick aus Frankreich hierher zurückgebracht hatten. Er war dort in … große Schwierigkeiten geraten.«
Unweigerlich musste Haven an das denken, was Kenrick ihr bei ihrem letzten Gespräch anvertraut hatte, als er sie wissen ließ, er werde sie nicht gegen ihren Willen festhalten. Sehr zu ihrem Erstaunen hatte er zugegeben, er wisse sehr wohl, was es hieß, eingesperrt zu sein.
»Die Schwierigkeiten in Frankreich«, meinte Haven. »Wurde er dort gefangen
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