Der Kelch von Anavrin: Das magische Siegel (German Edition)
wieder ganz gesund seid, werde ich dafür sorgen, dass Ihr mit einer berittenen Eskorte zurück nach Cornwall kommt. Ihr steht unter meinem Schutz.«
»Denkt Ihr, dass ich Schutz nötig habe?«
Er warf einen Blick auf die hässlichen Würgemale an ihrem Hals und auf den Verband an ihrer linken Schulter. »Jemand hat versucht, Euch umzubringen. Gebt Euch nicht mal einen Augenblick lang der Hoffnung hin, Ihr wäret außerhalb dieser Mauern sicher.«
»Und in den Mauern?«, wagte sie sich im Flüsterton vor, fürchtete sie doch noch eine andere Art von Gefahr, je länger sie sich dem durchdringenden Blick des Burgherrn ausgesetzt sah.
»Ihr habt mein Wort, Haven. Hier wird Euch kein Leid geschehen. Aber ich brauche Eure Hilfe. Vertraut mir, wenn ich Euch sage, dass das Leben vieler Menschen auf dem Spiel steht – wenn nicht gar das Leben selbst. Das, was Ihr über den Überfall auf Greycliff Castle wisst, das, was Ihr gesehen habt, es könnte mir von großem Nutzen sein. Vielleicht könnt Ihr mir Antworten geben, wenn Ihr so weit seid.«
Sie schwieg und sah, wie er langsam und mit bedächtigen Schritten das Gemach verließ. Er zog die Tür hinter sich zu, und tatsächlich hörte sie kein Geräusch im Schloss.
Sie hatte sich nach Freiheit gesehnt, und jetzt sah es ganz so aus, als sei sie ihr auch vergönnt.
Haven öffnete die Hand und starrte auf den schwarzen Schlüssel. Obwohl sie dem unvermuteten Geschenk nicht recht traute, hatte Kenrick of Clairmont ihr soeben die Flügel verliehen, mit denen sie dieser Gefangenschaft entfliehen konnte. Gott stehe ihr bei, sie würde keine Zeit vergeuden.
7
Während der nächsten Tage galt Havens Augenmerk ihrer Genesung. Das Fieber hatte sie arg geschwächt; sie fühlte sich kurzatmig und hatte das Gefühl, beinahe all ihrer Kräfte beraubt zu sein. Um den Folgen der Verletzung entgegenzuwirken, ruhte sie sich viel aus und nutzte die Stunden des Wachseins, um wieder zu Kräften zu kommen. Da kam ihr die Freiheit, die Kenrick ihr zugestanden hatte, gerade recht, denn nun hatte sie die Möglichkeit, durch die Burg zu wandeln und ihre schwachen Beine zu stärken.
Die meiste Zeit über war Ariana an ihrer Seite, eine Begleiterin, die Haven wahrlich als angenehm empfand. An diesem Morgen, als die Sonne bereits strahlend am blauen Himmel stand, hatte Ariana beschlossen, Haven müsse sich an der frischen Luft erholen.
Durch einen Seitenausgang, der sonst nur von den Küchenhilfen benutzt wurde, verließen sie den Burgfried. Ein Wächter stand vor der Tür, das Schwert griffbereit am Gehenk. Er trat beiseite, sowie Ariana und Haven in den Hof hinaustraten, und verneigte sich ehrfürchtig vor der blonden Burgherrin, die ihn mit seinem Namen ansprach.
»Wünsche einen guten Morgen, Thomas. Wie geht es Eurer Tochter heute?«
»Mylady«, erwiderte er und richtete sich wieder auf, »der Vorfall setzte eher ihrem Stolz als ihrer Gesundheit zu. Es geht ihr allmählich besser.«
»Das freut mich zu hören.« Arianas Lächeln war mitfühlend und warm, als sie sich anschickte, Haven den Sachverhalt zu erläutern. »Einige der Pagen sind gestern Morgen abwechselnd auf einem Pony im Burghof herumgeritten. Die kleine Gwen, Sir Thomas’ achtjährige Tochter, hat daraufhin beschlossen, ebenfalls mitzumachen. Offenbar ließ sie sich von den Burschen nicht abschrecken, die ihr zuriefen, sie sei noch viel zu klein dazu und könne ja nicht einmal auf einer Ziege reiten. Woraufhin die Kleine die jungen Burschen Lügen strafte, da sie schnurstracks in den Stall lief und auf einer alten Ziege herausgeritten kam. Unglücklicherweise erwies sich der alte Ziegenbock aber nicht als ein williges Reittier.«
»Du liebe Güte«, warf Haven ein, denn sie ahnte, was sich ereignet haben musste.
»Ihr Triumph währte nur kurz, aber dennoch glaube ich, dass die Burschen die Kleine nicht so schnell wieder verspotten werden. Wisst Ihr, Thomas, ich denke, Eure Gwen hat sich absichtlich den widerspenstigsten Ziegenbock ausgesucht, um ihre Fähigkeiten nur umso deutlicher unter Beweis zu stellen.«
»Ja, das Mädchen hat seinen eigenen Kopf«, pflichtete er ihr mit halb ernster, halb stolzer Miene bei. »Schon als Kleinkind war sie kaum anders.«
»Fürwahr«, erwiderte Ariana lachend. »Sagt Gwen, dass ich heute Nachmittag nach ihr schauen werde. Ich werde ihr etwas Backwerk aus der Küche mitbringen.«
Sir Thomas nickte dankend und lächelte. »Sie wird sich freuen, Euch zu sehen, Mylady. Habt
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