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Der Kelch von Anavrin: Geheimnisvolle Gabe (German Edition)

Der Kelch von Anavrin: Geheimnisvolle Gabe (German Edition)

Titel: Der Kelch von Anavrin: Geheimnisvolle Gabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Adrian schreibt als Tina St. John
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auf. Mit allzu großem Eifer schnitt sie eine Rübe in Stücke, und der harte Klang der Klinge, die auf die Tischplatte traf, unterstrich ihre Worte. »Ich mag diesen Mann nicht, Serena. Sein Auftauchen war ein böses Vorzeichen. Er wird uns nur Schwierigkeiten machen.«
    »Er sagt, er bleibt nicht lange. Nur so lange, bis er wieder genug Kraft hat, um seinen Weg fortzusetzen.«
    Unheilvoll hielt Calandra ihr Messer hoch. »Ja, und bis dahin wird er unsere Vorräte verbrauchen und den Schutz unserer Hütte ausnutzen. Und glaub ja nicht, dass er es dabei belassen wird, wenn er sich erst mal in den Kopf gesetzt hat, dass hier noch mehr zu holen ist.«
    Eine steile Falte zeichnete sich zwischen Serenas Brauen ab, denn sie war sich nicht sicher, was ihre Mutter damit andeuten wollte. Und doch spürte sie, dass Calandras Worte Anlass zur Sorge gaben. »Er ist verheiratet und hat einen Sohn. Das hat er mir erzählt. Er verehrt seine Familie und kann es kaum abwarten, Frau und Kind wiederzusehen.«
    Calandra unterbrach ihre Arbeit und wandte sich Serena mit ernstem Blick zu. »Er ist ein Mann, mein Kind. Und Männer seines Schlages sind es gewohnt, zu erobern und zu plündern – so werden sie erzogen. Sie nehmen sich das, wonach es sie verlangt, und genauso verhält sich dieser Fremde seit seiner Ankunft.«
    »Er hat sich doch gar nichts zuschulden kommen lassen«, hielt Serena sanft dagegen. »Es stimmt zwar, dass er sich anmaßend aufführt und vielleicht sogar ein wenig streitsüchtig ist, aber ich glaube nicht, dass er uns je ein Leid zufügen würde.«
    »Es gibt viele Arten, einem Menschen ein Leid zuzufügen, Kind. Du bist schön, und mir ist nicht entgangen, dass der Fremde dich ansieht, wenn er sich unbeobachtet fühlt. Ein Ehegelöbnis ist ein dünnes Band, wenn die Begierde eines Mannes geweckt wird.«
    Serena konnte ein ungläubiges Lachen nicht unterdrücken. »Nun, du brauchst keine Angst zu haben, dass ihm gefällt, was er in mir sieht. Wenn er mich anschaut, liegen Verachtung und Ungeduld in seinem Blick. Alles, was ich tue oder sage, scheint ihn zu verstimmen.«
    »Die Begierde kann schon durch einen winzigen Funken entfacht werden. Ein unschuldiges Herz verglüht im Nu zu Asche.«
    Solange Serena denken konnte, lag dieser traurige Ausdruck in Calandras Augen. Kummer schwärte im Herzen ihrer Mutter, und Serena wusste auch, warum. Ihr Vater hatte einst Frau und Kinder verlassen – Serena, einen älteren Bruder und eine ältere Schwester, die beide starben, als Serena noch ein kleines Kind war. Ihre Mutter hatte nie über den Vater ihrer Kinder gesprochen, auch nicht über die Geschwister, die Serena verloren hatte. Von ihrem Bruder und der Schwester wusste Serena nur, wie sie gestorben waren und dass beide die Gabe der Ahnung gehabt hatten.
    Somit war Serena alles, was Calandra geblieben war. Den Tod der Kinder hatte ihre Mutter nicht verwunden. Doch sie blendete die Vergangenheit aus, die so stark mit Kummer und Gram behaftet war, und weigerte sich, über alte Wunden zu sprechen – oder über Leute, die einst zu ihrem Leben gehört hatten. Nur manchmal, in Zeiten großer Anspannung, deutete Calandra an, was sich einst ereignet hatte.
    Serena durchquerte den kleinen Raum und ließ sich von ihrer Mutter in die Arme schließen. »Es tut mir leid«, wisperte sie. Als sie ihrer Mutter mit den behandschuhten Fingern über den Rücken strich, spürte sie, wie sehr Calandra noch immer unter dem Verlust litt. »Es tut mir leid, dass ich uns das nicht ersparen konnte. Es ist mein Fehler, dass er nun hier ist und du dir Sorgen machst.«
    »Nein.« Calandra ließ sie los und wich ein wenig zurück, da die machtvolle Ahnung Serena unnötige Schmerzen verursachen würde. »Mach dir keine Vorwürfe. Der Tag musste kommen. Ich hätte uns besser darauf vorbereiten müssen.«
    »Vorbereiten? Auf was?«
    Serena blickte in die klaren blauen Augen ihrer Mutter und staunte über die Weisheit, die sie darin fand. Sie bewunderte die zeitlose Schönheit von Calandras Antlitz, das von langem silberweißem Haar umrahmt war. »Wir können hier nicht bleiben, Kind. Er ist der Erste, der uns gefunden hat, aber andere werden folgen. Wir müssen fort von hier.«
    »Fort?«
    »Ja. Wir müssen uns eilen und einen neuen Unterschlupf finden, ehe noch andere auf unsere kleine Lichtung stoßen.«
    Serena stieß hörbar die Luft aus, denn sie konnte nicht glauben, was sie da hörte. »Dies ist unser Zuhause. Warum sollten wir es verlassen?

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