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Der Kelch von Anavrin: Geheimnisvolle Gabe (German Edition)

Der Kelch von Anavrin: Geheimnisvolle Gabe (German Edition)

Titel: Der Kelch von Anavrin: Geheimnisvolle Gabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Adrian schreibt als Tina St. John
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legte sich erneut wie eine Klaue um seinen Hals, als er sich der letzten Stunden entsann, die er mit seiner Frau verbracht hatte. Die letzten Augenblicke, die mit Zorn und Anschuldigungen vergeudet worden waren. »Ich würde alles darum geben, jetzt bei meiner Frau und meinem Jungen sein zu können.«
    »Warum habt Ihr sie zurückgelassen?«
    »Mir blieb keine andere Wahl. Es gibt Dinge, die keinen Aufschub dulden. Ich muss noch eine Rechnung begleichen, ehe ich wieder nach Hause zurückkehren kann.«
    »Ich verstehe«, sagte sie ernst, aber Rand wusste, dass sie die wahren Umstände keineswegs begreifen konnte.
    In der Nacht des Überfalls hatten Silas de Mortaines Schergen sein Leben zerstört. Rand war nichts als verkohlte Ruinen und verbrannte Erde geblieben. Und irgendwo inmitten der ganzen Verwüstung lag seine Ehre. Mochte auch nicht mehr viel davon übrig sein, eines Tages würde er sie wiedererlangen.
    »Euer Feind muss ein sehr schlechter Mensch sein, wenn er diese Verachtung verdient.«
    »Er hat den Tod verdient«, antwortete Rand und machte keinen Hehl aus der Tatsache, dass seine Rachegedanken um einen einzigen Gegner kreisten. »Ich werde ihn vernichten – und ebenso all jene, die in seinen Diensten stehen.«
    »Um welchen Preis?«
    Rand zögerte nicht mit der Antwort. »Um jeden Preis.«
    »Wenn Ihr das so meint, wie Ihr es sagt, Rand«, sprach Serena mit ruhiger, nachdenklicher Stimme, »dann bemitleide ich den Mann, den Ihr sucht. Und mein Mitleid gilt auch Euch.«
    »Du bemitleidest mich?« Rand sah sie düster an und hatte für eine derartige Vorstellung nur Spott übrig. »Du vergeudest deine Gefühle.«
    Unbewegt hielt sie seinem wütenden Blick stand. »Einen anderen Menschen zu vernichten, bedeutet, einen Teil von sich selbst zu vernichten. Ich vermute, dass Euch dies auch bewusst ist. Und ich denke, dass dieser Wandel bereits in Eurem Herzen eingesetzt hat.«
    »Was weißt du von dem Bösen in der Welt?«, fuhr er sie an, und sein scharfer Ton hallte hohl von den schroffen Felswänden wider. »Was weißt du schon von den Herzen der Menschen, Serena, wenn du nie die Grenzen dieses Waldes verlassen hast? Sag es mir, was willst du in meinem Herzen gelesen haben?«
    Nun wandte sie den Blick ab und schaute auf ihre Hände, die sie verschränkt hatte. »Mehr, als mir lieb war«, antwortete sie so leise, dass er ihre Worte kaum verstand.
    Nur mühsam riss sich Rand von ihrer sonderbaren Bemerkung los und warf einen kurzen, ungeduldigen Blick auf den Himmel. Graue Regenwolken verdeckten die Nachmittagssonne. Weiter hinten am Horizont braute sich ein Sturm zusammen, der seinen dunklen Schatten schon jetzt über das Meer warf. Der feine Sprühregen würde bald zu einem wahren Wolkenbruch werden.
    »Rand«, sagte Serena. Aus ihrem Mund klang sein Name beinahe allzu vertraut, zu tröstlich, obwohl Rand verstimmt war. »Es war nicht meine Absicht, Euch zu beleidigen. Wenn ich Euch … «
    »Deine Abendmahlzeit wartet«, unterbrach er sie abrupt. Einmal mehr wurde ihm bei dem schroffen Ton, den er anschlug, bewusst, was für eine sonderbare Wirkung diese Frau auf ihn ausübte. In ihrer Nähe kam er sich zunehmend unbeholfen vor, sogar beinahe verloren. »Nimm deine Sachen und geh zur Hütte zurück, ehe der Sturm losbricht.«
    Er trocknete die Klinge des kleinen Messers an seinem zerrissenen Hosenbein und reichte ihr dann den Dolch, zusammen mit dem gesäuberten Fisch im Korb. Beides nahm sie schweigend entgegen, schob das Messer wieder in den Gürtel und hängte sich den Eimer über den Arm. Doch sie machte keine Anstalten, den Heimweg anzutreten.
    »Auf was wartest du, Serena?«
    »Auf Euch«, erwiderte sie prompt. »Wollt Ihr nicht mitkommen?«
    Er blickte sie einen Moment lang an, geriet kurz in Versuchung, lehnte aber schließlich ab. »Geh nur«, sprach er und deutete mit einer Kopfbewegung in Richtung Waldpfad. »Behalt dein Mitleid und deine Mahlzeit für dich. Weder für das eine noch für das andere habe ich Verwendung.«
    »Wo ist er? Kannst du ihn irgendwo dort draußen sehen, Kind?«
    Serena spähte aus dem Fenster der Hütte und schüttelte den Kopf. »Ich kann ihn nirgends sehen, Mutter. Ich vermute, er geht wieder den Strand entlang oder streift durch die Wälder.«
    »Ja, als gebiete er über diesen Ort«, erregte sich Calandra. Sie stand vor dem Tisch und schnitt Gemüse. Die Arbeit ging ihr rasch von der Hand, und die Klinge des Küchenmessers blitzte im Licht des späten Vormittags

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