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Der Kelch von Anavrin: Geheimnisvolle Gabe (German Edition)

Der Kelch von Anavrin: Geheimnisvolle Gabe (German Edition)

Titel: Der Kelch von Anavrin: Geheimnisvolle Gabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Adrian schreibt als Tina St. John
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unbeschreiblich dünn an, die Farbe veränderte sich je nach Lichteinfall von Blau über Grün zu einem perlmuttfarbenen Ton. Das Gewand besaß alle Farben des Meeres und des Himmels zugleich, eine Fantasie, die von magischen Zeiten kündete und von der feinen Dame, die das Kleid einst getragen hatte – wer diese Vorfahrin auch immer gewesen sein mochte.
    Oft hatte Serena ihre Mutter gefragt, wem das Gewand ursprünglich gehört hatte, aber der Name der Ahnfrau war längst vergessen. Calandra wusste lediglich aus Erzählungen, die bereits ihre Vorfahren weitergegeben hatten, dass die Dame vor vielen, vielen Jahren am Hofe eines Königs gelebt hatte. Sie sei eine Prinzessin gewesen, so hatte Calandra es ihr erzählt, die in einem fernen Reich ein Leben voller Zauber und Wunder geführt habe. Sie habe ihr Reich verlassen, sei dem Ruf der Liebe gefolgt, doch dieser Schritt habe sich bald als Fehler erwiesen, den sie nicht mehr habe rückgängig machen können. Schon bald darauf habe die unglückliche Liebe ihr das Herz gebrochen, und so sei die Prinzessin an diesen Küstenstrich gekommen, um in der Abgeschiedenheit der Wälder ein neues Leben zu beginnen. Ein Leben von derselben Einfachheit wie das von Calandra und Serena.
    Obwohl das Gewand überaus schön war, hatte Serena es noch nie getragen. Niemals hatte sie sich des Kleides würdig gefühlt, hatte stets das Gefühl gehabt, es wäre nicht richtig, ein derart schönes Gewebe in der Umgebung des Waldes zu tragen, um ihre eigene Eitelkeit zu stillen.
    Wie verzaubert von der seidigen Vollkommenheit des Kleidungsstücks, merkte Serena erst spät, dass sich die Tür der Hütte öffnete. Ein Schuldgefühl durchströmte sie, als sie den Kopf zur Tür wandte und den missbilligenden Blick ihrer Mutter sah.
    »Was hast du damit vor?«, fragte Calandra, trat über die Schwelle und schloss langsam die Tür.
    Serena zuckte die Achseln. »Ich wollte bloß … ich glaube, ich wollte es mir einmal ansehen.«
    Calandra kam näher, und ein wehmütiger Ton schlich sich in ihre Stimme. »Es ist kaum gealtert in all den Jahren. Nicht eine Perle ist abgegangen. Bemerkenswert, wenn man bedenkt, wie alt es schon ist.«
    »Hast du dich je gefragt, wie ihr Leben verlaufen ist, ehe sie hierherkam?« Serena hielt sich das Gewand an und war versucht, selbst hineinzuschlüpfen, um nur einen Moment lang den prachtvollen Anblick zu genießen. »Glaubst du, sie hat in einer großen Burg gelebt?«
    »Ja, ich denke schon«, erwiderte Calandra. »Ihr Bruder war König und gebot über ein großes Reich. Ich vermute, dass es eine große Burg gewesen ist mit hohen Mauern, von denen aus man weit ins Land schauen konnte.«
    Serena nickte und malte sich hoch aufragende weiße Türme aus und grüne Hügel, die sich bis zum Horizont erstreckten. Und innerhalb der glitzernden Mauern der Festungsanlage lebte die Dame, die einst dieses blaue Gewand trug. »Wie wunderschön sie in diesem Gewand ausgesehen haben muss. Kein Wunder, dass sich der Mann beim ersten Anblick in sie verliebte.«
    »Seine Liebe war trügerisch«, merkte Calandra seltsam tonlos an. Sie stand nun neben Serena und nahm ihr die kostbare Seide aus der Hand. »Und sie war unachtsam. Wenn dieses Gewand zu etwas taugt, dann zu der Mahnung, dass sich ihr törichtes Fehlverhalten nicht wiederholen darf. Ich wünschte, sämtliche Frauen unserer Linie würden sich diese Warnung zu Herzen nehmen.«
    Calandra legte die durchscheinenden Röcke zusammen und faltete das Gewand sorgsam. »Vielleicht ist das aber auch nur Wunschdenken«, fügte sie hinzu und legte das schöne Kleid in die Truhe zurück.
    Serena sah, wie Calandra die anderen Kleidungsstücke wieder an Ort und Stelle legte und den Deckel der Truhe schloss. Sie empfand Mitleid mit ihrer Mutter, wusste sie doch um den tief sitzenden Schmerz. Auch Calandra hatte ihre Liebe einem Mann geschenkt und eine herbe Enttäuschung erlebt. Kein Wort würde sie darüber verlieren, aber der Mann, der behauptet hatte, sie zu lieben, hatte sie verlassen und ihr das Herz gebrochen. Da Serena verstand, dass sich Calandra Sorgen um ihr einziges Kind machte, verspürte sie ein Schuldgefühl. »Ich werde auf mich aufpassen, Mutter.«
    »Wirklich?«
    Calandra warf ihr einen Seitenblick zu. Ihre blauen Augen wirkten ernst, beinahe traurig.
    »Ja, Mutter«, beteuerte Serena.
    Calandra sagte nichts und ging auf die andere Seite der Hütte, Serena den Rücken zugekehrt. Aus einer Ecke nahm sie den Reisigbesen und

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