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Der Keller

Der Keller

Titel: Der Keller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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Tyler mit glasigen Augen an. »Gott möge ihm vergeben. Er war es, der es hierhergebracht hat.«
    »Der was hierhergebracht hat?«, fragte Nora.
    »Die Bestie.«
    »Das Ding aus dem Horrorhaus?«, fragte Jack.
    »Aye. Diese Ausgeburt der Hölle.«
    »Sie wollen uns weismachen, dass Ihr Vater es nach Malcasa Point gebracht hat?«
    »Das hat er, so wahr mir Gott helfe. Ich sage euch, das ist eine schwere Last, die ich zu tragen habe. Ein Fluch, in der Tat.« Er nahm einen weiteren Schluck.
    Nora und Jack sahen sich an. Offensichtlich war dieser Kerl nicht ganz dicht. Abe blickte ihn düster an.
    »Die Schuld.« Käpt’n Frank hob seine großen, schwieligen Hände. »Seht ihr das Blut? Ich sehe es deutlich. Es ist das Blut ihrer Opfer. Gott allein weiß, wie viele es sind. Das erzählen sie euch nicht während der Führung. Gibt es eine Wachsfigur von meinem Vater? Oder von meiner Schwester Loreen, die von diesem Teufel zerrissen wurde, sieben Jahre, bevor ich in diese grässliche Welt geworfen wurde? Nein. Sie sind vergessen, ihre Namen verweht. Wie vie-le sind es? Zehn? Hundert? Hundertfünfzig? Das weiß nur Gott, in der Tat. Gott und die Bestie. Menschen verschwinden. Seht ihr das Blut nicht?«, fragte er und drehte langsam die Hände um.
    »Sie behaupten, dass die Bestie Ihren Vater und Ihre Schwester getötet hat?«, fragte Nora.
    »Oh ja, in der Tat. Die kleine Loreen zuerst. Sie war erst drei Jahre alt, als mein Vater die Bestie vöi^einer gottverdammten, namenlosen Insel vor der australischen Küste mitgebracht hat. Er war der erste Maat auf der Mary Jane aus Sausalito. Das war im Sommer 1901, in der Tat. Flaute herrschte, kein einziger Windhauch blähte die Segel, Tag um Tag. Der Proviant verfaulte. Das Wasser wurde knapp. Sie dachten, ihr letztes Stündlein hätte geschlagen, und es ist ein verdammter Jammer, dass es nicht so gekommen ist. Am dreizehnten Tag ihrer grauenhaften Reise entdeckten sie Land. Es war eine Vulkaninsel, hügelig und mit dichtem Dschungel bedeckt.
    Sie schickten einen Suchtrupp aus, der eine Quelle mit Trinkwasser entdeckte. Früchte und Beeren gab es im Überfluss, doch die Männer sehnten sich nach Fleisch. Was war das nur für ein Dschungel, in dem es kein Wild gab? Noch nie hat jemand so einen Urwald gesehen - nur die Männer der Mary Jane. Der Dschungel war ihnen unheimlich, und sie wollten vor Einbruch der Dunkelheit zum Schiff zurückkehren. Selbst mein Vater, der mutigste Mann, der je das Deck eines Schiffs beschritten hat, gestand freimütig, dass er in jener Nacht mit unheiliger Furcht die Morgendämmerung herbeisehnte. Aber er war nicht bereit, die Insel ohne Wildbret zu verlassen.«
    Käpt’n Frank nahm einen großen Schluck Bier. Er stützte sich mit den Ellbogen auf den Tisch und starrte in Tylers Augen, als würden die anderen gar nicht existieren. Der Lärm in der Bar - die Gespräche, das Gelächter, das Klirren der Gläser, das Klacken der Billardkugeln und das Klimpern der Flipper, selbst Willie Nelsons Stimme, die aus der Jukebox tönte - schien Tyler von weit her zu kommen.
    »Als die Dunkelheit über sie hereinbrach«, fuhr er fort, »versammelten sich die Männer am Wasserloch. Sie versteckten sich zwischen Büschen und kletterten auf die Bäume. Sie waren bis an die Zähne bewaffnet und bereit, jedes Tier zu erlegen, das sich durstig der Wasserstelle nähern würde.
    Ihr Plan ging auf. Gegen Mitternacht erschienen die Kreaturen. Zwölf bis fünfzehn von ihnen krochen aus dem Dschungel und wa-teten in den Tümpel, um zu trinken. Mein Vater hielt sie zunächst für Menschen - für die Mitglieder eines primitiven Stammes -doch dann sah er ihre Gesichter im Mondlicht. Ihre Schnauzen. Und da wusste er, dass es keine Menschen, sondern abscheuliche, höllische Kreaturen waren. Sofort gab er den Befehl, das Feuer zu eröffnen, und die Bestien hauchten ihr Leben aus. Keine entkam. Ich sehe genau vor mir, wie blass das Gesicht meines Vaters war, als er mir von dem Massaker erzählte - und von dem, was danach passierte. Wie einige seiner Männer sich an den weiblichen Kadavern vergingen …«
    »Frank«, sagte Abe.
    Der alte Mann schrak zusammen, als er aus seinen düsteren Erinnerungen gerissen wurde.
    »Wir müssen das nicht unbedingt hören«, sagte er.
    »Ich schon«, protestierte Nora. »Das Ganze ist sehr interessant.«
    »Ist schon in Ordnung«, sagte Tyler. Sie zitterte vor Aufregung. Obwohl sie die Geschichte des Käpt’n anwiderte, musste sie einfach wissen,

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