Der Keller
Gefangene in diesem Haus war?
Kapitel siebzehn
»Zehn Jahre vergingen«, sagte Maggie, »dann schlug die Bestie erneut zu.«
Die Gruppe befand sich wieder im Schlafzimmer und Maggie stand vor den roten Vorhängen, die die Zimmerecke abtrennten. Sie hielt die Kordel in der Hand.
»Es geschah im Jahre 1951. Tom Bagley und Larry Maywood, zwei zwölfjährige Jungen, brachen nachts in das Haus ein. Sie hätten es besser wissen müssen, hatten sie doch die Führung oft genug mitgemacht. Ich wurde nicht müde, sie zu warnen, dass die Bestie nach Sonnenuntergang in diesem Haus umgeht. Doch offenbar wurden sie neugierig. Neugierige Katzen …«
»… verbrennen sich die Tatzen«, murmelte das Mädchen, das auf Tylers Fuß gestiegen war.
Maggie hörte diesen Kommentar und schnaubte höhnisch. »Und genauso war es«, sagte sie und zog den Vorhang beiseite.
Das Mädchen schreckte zurück. Jack, der hinter ihr stand, hob den Unterarm, um sie sanft abzubremsen.
»Wow!«, sagte der kleine Cowboy.
Der Wachskörper auf dem Boden war regelrecht zerfetzt, die Kleidung zerrissen. Eine zerfledderte Unterhose bedeckte nur notdürftig die Hinterbacken, und der Rücken war mit tiefen Kratzern überzogen. Der Hals war nur noch ein blutiger Stumpf, und der dazugehörige Kopf lag mit aufgerissenen Augen und schmerzverzerrtem Mund daneben. Der andere wächserne Junge war gerade dabei, das Fenster zu öffnen und starrte über die Schulter hinweg auf die verstümmelte Leiche seines Freundes. Sein Gesicht wirkte seltsam verzogen und gequetscht und verängstigte Tyler noch mehr als die grauenerregenden Überreste auf dem Boden.
»Die beiden schnüffelten lange im Haus herum, versuchten erfolglos, die Tür zum Kinderzimmer aufzubrechen und wanderten auf dem Dachboden herum. Die Bestie spürte sie in diesem Zimmer auf. Sie fiel über Tom her, während Larry zum Fenster rannte. Während die Bestie seinen Freund zerriss, entkam Larry, indem er aus dem Fenster sprang. Außer mir war Larry der Einzige, der die Bestie gesehen und überlebt hat.« Maggie lächelte vielsagend. »Aber jetzt lebt er nicht mehr. Larry kam letztes Jahr bei einem Unfall um.«
»Was ist mit seinem Gesicht?«, fragte Nora.
»Die Figur ist uns einmal umgefallen«, sagte Maggie. »Wir versuchten, sie zu reparieren. Ohne großen Erfolg, wie Sie sehen. Ein neuer Kopf ist bereits bestellt.«
Maggie schloss den Vorhang wieder und führte sie vor die Absperrung in der Galerie. »Jetzt kommen wir zur letzten Station der Führung«, sagte sie. »Sie ist erst seit dem vorigen Frühjahr hier aufgestellt. Das ist natürlich eine sehr ungünstige Stelle, aber hier ist es nun einmal passiert.
Es geschah letztes Jahr, im Frühling ‘78. Eine Familie namens Ziegler besuchte dieses Haus - ein Ehepaar mit einem Jungen von etwa zehn Jahren. Die Führung jagte dem Jungen große Angst ein. Er wollte nicht mehr aufhören zu weinen, also brachen sie die Führung vorzeitig ab. Später erzählte die Mutter, dass ihr Mann sehr verärgert über seinen Sohn war. Er dachte wohl, dass er sich ›un-männlich‹ betragen hatte. Da er keinen Feigling großziehen wollte, zerrte er seinen Sprössling nach Einbruch der Dunkelheit hierher.« Einer von Maggies Mundwinkeln hob sich. »Er wollte ihm beweisen, dass es hier nichts gibt, wovor er Angst haben muss. Leider lag er damit falsch, und sein Junge sollte Recht behalten. Sie gelangten durch die Hintertür ins Haus und befanden sich genau hier, als die Bestie über sie herfiel.«
Sie zog an der Kordel, und die Vorhänge teilten sich.
Der Junge lag auf dem Gesicht. Sein Hemd war vom Körper gerissen, sein Nacken zerfetzt.
Der Mann neben ihm war ebenfalls schrecklich verstümmelt. Ein abgetrennter Arm lag auf einem Oberschenkel.
Auf dem Boden zwischen den beiden war ein Mann in einer zerfetzten beigen Polizeiuniform. Sein Kehlkopf war herausgerissen. Tyler starrte in das schmerzverzerrte Gesicht und blinzelte, als sich die Galerie um sie verdunkelte. Ein greller blauer Lichtschein erschien um den Leichnam herum. Durch das schrille Klingeln in ihren Ohren hörte sie Maggies Stimme. »Ein Polizist namens Dan Jenson, der gerade auf Streife war …«
»Tyler? Tyler?« Es war Abes Stimme.
Sie öffnete die Augen und stellte fest, dass sie auf dem Boden saß. Jemand stützte ihren Rücken. Ihr Kopf baumelte vor ihrer Brust, und ihr war schwindlig und schlecht. Die Leute um sie herum tuschelten leise miteinander. Sie hob den Kopf und erkannte Nora, die
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