Der Keller
dessen Existenz sie gelegentlich zweifelte.
Ihre Hände strichen ständig über ihre unsichtbare, nackte Haut. Manchmal legte sie sich flach hin, um ihren Körper auf dem Teppich spüren zu können. In dieser Position legte sich dieses schumm-rige, körperlose Gefühl etwas.
Sie dachte fieberhaft nach.
Was, wenn doch niemand kam? Was, wenn sie sie hier verhungern lassen wollten? Zuvor würde sie vor Durst sterben. Ihre Zunge klebte jetzt schon am Gaumen, und ihre Zähne fühlten sich wie Granitblöcke an.
Sie hatte seit gestern Abend nichts mehr gegessen. Es hatte panierte Koteletts mit Reis in Teriyaki-Sauce gegeben, dazu Eistee. Den hätte sie jetzt literweise trinken können, direkt aus dem Krug, so dass er ihr Kinn hinunterlief und ihren Hals und die Brust benetzte.
Sie werden schon kommen, sagte sie sich. Früher oder später würden sie nach ihr sehen. Sie hatten ja wohl kaum ihre Wunden versorgt, um sie dann sterben zu lassen. Sie hatten sie für die Bestie aufgehoben.
Oh Gott, die Bestie.
Ich kann es schaffen. Sobald sie die Tür öffnen, werde ich wie der
Blitz loslaufen und mich nach Kräften wehren. Sie werden mich nicht kriegen. Jedenfalls nicht lebend.
Vielleicht öffnete sich auch die Tür, und Dad oder die Polizei kam, um sie zu retten. Sie suchten bestimmt schon nach ihr. Doch woher sollten sie wissen, wo sie zu suchen hatten?
Wenn sie letzte Nacht nur zu Hause geblieben wäre. Das war die Strafe dafür. Sie war auf Brian hereingefallen, und dafür musste sie jetzt bezahlen. Was war mit Brian geschehen? Wahrscheinlich war er tot oder ebenfalls im Haus gefangen.
Es gab noch andere Gefangene. Jemand mit einem Baby.
Vielleicht war das ganze Haus voll Gefangener. Deshalb hatte es die Kutch auch ohne Fenster gebaut. Nicht, um die Bestie fernzuhalten - wie sie während der Führung immer wieder behauptete -, sondern um ihre Gefangenen an der Flucht zu hindern.
Janice lag mit ausgestreckten Armen und Beinen auf dem Boden und presste das Gesicht gegen den Teppich. Die Gedanken rasten durch ihren Kopf, als sie plötzlich Schritte hörte. Ihr Herz setzte für einen Augenblick aus. Sie richtete sich auf und kroch los, wobei sie mit der linken Hand nach der Wand tastete. Ihre Fingernägel stießen dagegen, und bald erreichte sie den Türrahmen.
Die Schritte kamen näher.
Sie suchte den Teppich ab, konnte die Glühbirne jedoch nicht finden, obwohl sie sie neben der Tür hatte liegen lassen.
Dann hörte sie das metallische Geräusch, mit dem ein Schlüssel ins Schloss geschoben wurde.
Wo war das verdammte Ding nur?
Endlich stieß ihre rechte Hand gegen die Glühbirne. Sie packte die geriffelte Fassung und richtete sich auf, als die Tür nach innen aufging. Die Silhouette eines Mädchens erschien im blauen Licht, das vom Korridor in den Raum fiel. Das Mädchen hatte eine Tüte unter das Kinn geklemmt und hielt in der einen Hand eine Getränkedose, in der anderen den Schlüssel. Keuchend machte sie einen Satz zurück, als Janice auf sie zusprang. Sie ließ die Tüte fallen.
Janice, die von der geringen Größe und offensichtlichen Jugendlichkeit des Eindringlings überrascht war, brachte es nicht über sich, zuzustoßen. Stattdessen packte sie das Mädchen am T-Shirt und riss sie zu sich. Sie legte einen Arm um ihren Rücken und stieß sie gegen den Türrahmen. Mit einem Grunzen holte das Mädchen mit der Linken aus und schlug Janice die Dose ins Gesicht. Janice taumelte benommen zurück, ohne den sich windenden Körper loszulassen. Gemeinsam fielen sie zu Boden.
Janice landete unter dem Mädchen. Sie rollte sie herum und schnappte sich ihre Handgelenke. Das Mädchen zappelte, aber Janice drückte ihre Arme mit den Knien auf den Boden.
»Runter von mir!«, rief das Mädchen. » Runterl « Sie trat nach Janice, und ein Knie bohrte sich in ihren Rücken. »Du Schlampe!«
Janice hob die Faust. Das vom blauen Licht beschienene Gesicht des Mädchens war von Wut verzerrt. Sie war noch sehr jung, nicht älter als dreizehn oder vierzehn. Trotzdem steckte sie mit ihren Entführern unter einer Decke. Gerade, als Janice zuschlagen wollte, wurde das Licht schwächer. Im selben Moment, als sie ihre Faust in das Gesicht des Mädchens rammte, fiel die Tür ins Schloss.
Jetzt befanden sie sich wieder in völliger Dunkelheit.
Wie wahnsinnig schlug sie auf das Mädchen ein. Jeder Hieb schmerzte in ihren Knöcheln und Unterarmen.
»Nicht. Hör auf. Bitte«, schluchzte das Mädchen.
»Halts Maul. Keine
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