Der Keller
- nur wenige Male in Agnes Kutchs altem Pick-up, und selbst das nur auf einer einsamen Landstraße. Schließlich war sie zu jung für den Führerschein.
Das Lenken war gar nicht so schwer gewesen, doch die Gangschaltung hatte ihr große Probleme bereitet. Wieder und wieder hatte sie den Motor abgewürgt.
»Nich’ so schnell mit der Kupplung«, hatte Agnes ihr vom Beifahrersitz aus erklärt. »Schön langsam und vorsichtig, und gleichzeitig Gasgeben.«
Sandy erinnerte sich an Agnes’ Ratschlag, drehte den Zündschlüssel um, gab mit dem rechten Fuß leicht Gas und hob den linken ganz sachte vom Kupplungspedal. Das Auto rollte langsam los.
»Na also!«
Sie fuhr auf die Straße und gab Gas ohne zu schalten. Der Motor dröhnte laut in ihren Ohren.
Jetzt der zweite Gang. Hoffentlich würge ich ihn nicht gleich wieder ab.
Während sie am Schalthebel herumfummelte, bemerkte sie das bleiche, verschwommene Licht von Scheinwerfern im Rückspiegel.
Ruckartig drehte sie das Lenkrad und fuhr wieder an den Straßenrand. Der MG rollte knirschend über Gebüsch und Steine, so
dass sie ordentlich durchgeschüttelt wurde. Schließlich kam der Wagen zum Stehen.
Sie sah über die Schulter. Das Auto fuhr gerade um eine Kurve. Als sich die Scheinwerfer in ihre Richtung bewegten, duckte sie sich schnell.
Atemlos lag sie auf dem Beifahrersitz. Ihr Herz raste wie wild.
War sie entdeckt worden? Hoffentlich würde sie keiner im Vorbeifahren bemerken.
Wenn sie mich hier so liegen sehen, halten sie mit Sicherheit an.
Sandy drückte sich das Geschirrtuch fest vor die Brüste.
Dann fiel das Licht der Scheinwerfer auf das Armaturenbrett und den Rückspiegel, der es genau in ihre Richtung reflektierte.
Nicht anhalten. Bitte bitte, nicht anhalten. Fahrt weiter. Was ich hier tue, geht euch überhaupt nichts an.
Ob sie wohl das Messer brauchen würde?
Bevor sie losgefahren war, hatte sie es unter den Sitz geschoben.
Jetzt lag sie so ungünstig, dass sie es nicht erreichen konnte, ohne sich vorher aufzusetzen.
Das ankommende Auto wurde langsamer.
Nein, nicht…
Der Wagen fuhr im Schneckentempo an dem MG vorbei.
Sandy fragte sich, ob er wohl eine Anhängerkupplung hatte.
Denk nicht mal dran.
Fahrt einfach weiter.
Die Bremsen quietschten leise, als das Auto anhielt.
»Ein echtes Prachtstück«, sagte eine Männerstimme.
Sie haben mich gesehen!
Vielleicht meint er aber auch den MG.
»Wieso steht der hier einfach so rum?«, fragte eine andere Stimme. Eine Frauenstimme.
Sandy spürte grenzenlose Erleichterung.
»Wahrscheinlich ne Panne«, sagte der Mann.
»Ja. Oder dem blöden Penner ist das Benzin ausgegangen.«
»Das ist doch dasselbe.«
»Ist es nicht.«
»Ein echtes Prachtstück.«
»Bill, steig aus und sieh mal nach. In so ner Prachtkarosse wird doch irgendwas zu holen sein.«
Nicht, Bill! Bleib im Auto!
»Lieber nicht. Was, wenn der Typ nur zum Pissen in den Wald ist?«, fragte er.
»Mach schon, oder willst du hier übernachten?«
»Willst du, dass sie mich auf frischer Tat ertappen?«
»Bekackte Memme.«
»Pass auf, was du sagst.«
»Memme, Memme, Memme!«
»Halts Maul.«
»Leck mich.«
»Leck mich!«
»Red nicht so mit mir, du beschissene Memme!«
Sandy hörte ein klatschendes Geräusch. Dann schrie die Frau auf. Anscheinend hatte Bill sie geschlagen. »Beschissener Schwanzlutscher«, quietschte sie.
Darauf folgte ein wahres Trommelfeuer an Schlägen. Die Frau schrie, fluchte und flehte ihn an aufzuhören, während er vor Anstrengung keuchte und grunzte. »Wie gefällt dir das? Gefällt dir das? Blöde Schlampe. Gefällt’s dir?«
»Hör auf!« Sie heulte wie ein Kind, das eine Tracht Prügel kassierte. »Du tust mir weh.«
»Memme, hä?«
»Nein! Hör auf. Tut mir leid. War nicht so gemeint!«
Er hörte nicht auf.
Die Frau schluchzte laut und schrie jedes Mal auf, wenn sie getroffen wurde. »Tut mir leid!«, keuchte sie. »Du bist keine Memme!«
»Ich hab die Schnauze voll von dir, du Schlampe!« »Nicht. AUA!«
»Gefällt dir das? Und das?«
Klatsch!
Sandy stützte sich auf dem Ellbogen auf und spähte über die Fahrertür. Das andere Auto war höchstens zwei Meter von dem MG entfernt.
Sandy konnte aus ihrer niedrigen Position nicht erkennen, was im Inneren vor sich ging, und zog sich langsam am Lenkrad in die Höhe.
Bill schien auf dem Beifahrersitz zu knien und sich vorgebeugt zu haben, um die Frau hinter dem Steuer besser verprügeln zu können. Die Frau selbst konnte Sandy nicht
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