Der Keller
vermissen.«
»Echt?«
»Oh ja. Sehr.«
»Du musst ja nicht abhauen. Zwingt dich ja niemand.«
»Ich würde auch nicht abhauen, wenn dieser gottverdammte Slade nicht gewesen wäre. Er hat alles ruiniert.«
»Na, dafür hat er bezahlt.«
Sandy sah Lib mit Tränen in den Augen an. »Ich wollte einfach nur meine Ruhe haben, verstehst du? Mehr nicht. Ich hatte meine Arbeit und mein Baby und Agnes und alles, und dann tauchen plötzlich diese beschissenen Filmleute auf und machen alles kaputt.«
»Tja, das Leben ist ungerecht.«
Zischend sog sie Luft durch die Zähne ein. »Aber wir werden schon irgendwie klarkommen. Möglicherweise ist es ja auch besser so, wer weiß? Könnte ja ganz aufregend sein, mal was Neues zu sehen. Vielleicht werde ich es überhaupt nicht bereuen.«
»Da würde ich mich nicht drauf verlassen.«
Sandy sah Lib an und lachte.
»Man muss es nehmen, wie es kommt. Alles hat seine guten und seine schlechten Seiten. Du musst nur auf dich aufpassen, das ist alles«, sagte Lib.
»Wir müssen beide auf uns aufpassen.«
»Aber das heißt nicht, dass wir’s dabei nicht krachen lassen können.«
Danach schwiegen sie. Lib lehnte sich in ihrem Sitz zurück und senkte den Kopf. Sandy konzentrierte sich auf die Straße.
Sie war sich nicht sicher, wo sie überhaupt war.
Irgendwo nördlich von Malcasa auf dem Pacific Coast Highway, vielleicht fünf bis zehn Meilen außerhalb der Stadt.
Sie war diese Strecke schon öfter gefahren, jedoch nie im Dunkeln. Sie konnte sich an absolut nichts erinnern.
Alles war so wie überall.
Zur Rechten waren bewaldete Hügel, zur Linken fiel das felsige Gelände hinter der Leitplanke steil zum Meer ab. Das Wasser war schwarz und verschwand schon bald hinter der Küste im Nebel, der sich wie eine gewaltige, sanft gewellte Hügelkette über den Ozean gelegt hatte. Im Vollmond war er weißer als frisch gefallener Schnee.
Wunderschön, dachte Sandy.
Weniger schön, wenn man mitten drinsteckt.
Sie hoffte, dass der Nebel nicht landeinwärts zog.
Was er wahrscheinlich tun wird. Früher oder später.
Sie erinnerte sich, wie er sie und ihre Mutter damals so plötzlich überrascht hatte. Er hatte sich wie die Tentakel eines gespenstischen Seeungeheuers über den Asphalt gelegt, war vorangekrochen, bis er ihr Auto und den Highway und die Hügel und die ganze Welt in undurchdringliches Grau getaucht hatte. Bis keine Straße mehr zu sehen gewesen war und sie im Graben gelandet waren.
Was, wenn der Nebel nicht gekommen wäre?, fragte sie sich.
Dann wäre der Unfall niemals passiert, und Moni wäre einfach durch Malcasa Point hindurchgefahren. Sie hätten nie die Nacht im Welcome Inn verbracht oder das Horrorhaus besucht.
Und alles wäre anders gekommen.
Viele Leute wären noch am Leben, und Mom und ich wären wahrscheinlich immer noch zusammen.
Wenn Dad uns nicht vorher erwischt hätte.
Scheiß drauf, dachte sie. Der Nebel war da und wir sind im Graben gelandet und was danach passiert ist, ist passiert und nicht
mehr zu ändern. Und würde sie es denn überhaupt ändern, wenn sie die Gelegenheit dazu hätte?
Dad hätte sie wahrscheinlich umgebracht. Und Eric hätte es nie gegeben. »Ist schon komisch«, sagte sie.
Lib antwortete mit einem leisen, brummenden Schnarchen.
Kapitel zwölf
Die reguläre Führung III
»Nur sechzehn Tage«, sagte Maggie mit tiefer, ruppiger Stimme. »Dann griff sie an. Sie kam diese Treppe hier herauf.«
Mehrere Besucher stiegen gerade die Stufen hinauf. Owen, Mo-nica und die anderen, die an Station fünf standen, machten ihnen Platz, während Maggie mit ihrem Vortrag fortfuhr.
»Es geschah am Abend des siebten Mai 1931. Ich war mit Joseph in unserem Schlafzimmer am Ende der Galerie. Mein Mann weigerte sich, in Lillys Zimmer zu nächtigen, da er es für ein böses Omen hielt. Unsere Mädchen hatten jedoch keine Probleme damit, in dem Raum zu schlafen, in dem die beiden Jungen abgeschlachtet worden waren. Sie behaupteten, dass die beiden dort als Gespenster umgehen würden, dass sie sie aber gut leiden könnten. Theodore, mein kleines Baby, lag in seinem Kinderzimmer, das sich ebenfalls am Ende der Galerie befindet, jedoch nicht Teil der Führung ist. Das Kinderzimmer bekommt niemand zu sehen. Es ist immer verschlossen.
Wie dem auch sei. An diesem Tag regnete es wie aus Eimern. Wir hatten die Fenster geöffnet, und ich lauschte dem Plätschern, jedenfalls so lange, bis es von Josephs Schnarchen übertönt wurde.
Nichtsahnend schlief
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