Der Keller
anstarrte. Obwohl Clyde zweifellos attraktiv war - er war über eins achtzig
groß und hätte sich locker bei der Wahl zum Mister Universum bewerben können -, ließ er sie irgendwie kalt.
»Also«, sagte er, verschränkte die Arme vor der breiten Brust und sah ihr in die Augen. »Soweit alles klar?«
»Alles klar.«
»Der erste Tag ist der schlimmste.«
»Ich komme zurecht.«
»Im Haus ging’s dir wohl nicht so gut?«
»War nicht so wild.«
»Lynn hat dich hierher beordert.«
»Ich hab mich nicht wohl gefühlt. Hier an der frischen Luft geht’s mir besser.«
»Na, das hab ich doch schon mal gehört.«
»Ach ja?«
»Das passiert jedem. Naja, fasst jedem. Anfänger halten es normalerweise keinen ganzen Tag da drin durch. Ich wette, du hattest folgende Symptome: kalter Schweiß, Schwindel, Übelkeit, Angst zu Ersticken. Hab ich Recht?«
»Du hast Recht.«
»Natürlich hab ich Recht. Das hab ich schon tausendmal gesehen. Hast du gekotzt?«
»Nein.«
»Viele tun das. Du hast es wohl noch rechtzeitig ins Freie geschafft.«
Dana versuchte, freundlich zu lächeln. »Ja, da hab ich noch mal Glück gehabt.«
»Weißt du was?«
»Was?«
»Das ist rein psychologisch.«
»Aha.«
Er nickte, nahm ein Päckchen Camel aus seiner Brusttasche und hielt sie Dana hin.
»Nein, vielen Dank«, sagte sie.
Er zündete sich eine Zigarette an. »Man redet sich zwar ein, dass das nur ein Haus ist und man nur angestellt wurde, um ein paar Wachsfiguren zu bewachen. Und die Touristen natürlich.«
Sie nickte lächelnd.
»Man versucht sich also einzureden, dass nichts weiter dabei ist. Doch in Wahrheit ist eine ganze Menge dabei. Es ist eben nicht nur ein gewöhnliches Haus mit Puppen drin. Du weißt, was wirklich dort geschehen ist. Und je mehr du versuchst, das zu verdrängen, umso tiefer gräbt es sich in dein Unterbewusstsein.« Er nickte heftig. »Weißt du, was dann passiert?«
»Was?«
»Es greift auf deinen kompletten Stoffwechsel über. Deine Organe, deine ganze Körperstruktur weiß genau, wo du dich befindest. Also kannst du nicht mehr richtig atmen. Als hättest du Angst, tief Luft zu holen, sobald du dich da drin befindest. Als wäre die Luit verseucht mit Tod und Verderben. Und die willst du ja nicht in deinen Körper gelangen lassen. Verstehst du, was ich damit sagen will?«
»Klar«, sagte sie.
Ein so attraktiver Mann sollte nicht mit so wirren Theorien hausieren gehen.
»Die Folge ist Sauerstoffmangel im Gehirn. Weißt du, wieso man das Gefühl hat, kurz vor dem Ersticken zu sein?«
»Nein, wieso?«
»Weil man kurz vor dem Ersticken ist. Dein Unterbewusstsein versucht, die Luft anzuhalten. Klar?«
»Aha.«
»Kannst du mir folgen?«
»Ja.«
»Dein Unterbewusstsein will die verseuchte Scheißluft in diesem Haus nicht einatmen.«
»Genau.«
»Verstanden?«, fragte er. Die Zigarette zitterte in seinem Mundwinkel.
»Verstanden.«
»Das ist alles nur reine Kopfsache.« »Ja.«
»Okay. Und weißt du, wie du damit fertig wirst?« »Indem ich atme?«
»Genau. Aber so einfach ist das nicht. Dein Unterbewusstsein hat nämlich seinen eigenen Willen.« Dieses Mal war Danas Lächeln echt. Clyde erwiderte es selbstzufrieden.
»Du kannst deinem Unterbewusstsein nicht einfach befehlen zu atmen. Das klappt nicht. Stattdessen musst du mit dem Horrorhaus ins Reine kommen.« »Ins Reine kommen?«
»Ganz genau. Verdrängung heißt das Zauberwort.« Sie kicherte.
»Verdrängung ist die Ursache aller deiner Probleme.« Nach einem tiefen Zug nahm er die Zigarette aus dem Mund und deutete damit auf sie. »Du musst das Horrorhaus akzeptieren.« Was für ein Blödsinn, dachte sie. »Aha. Okay.«
»Und dann wird es auch dich akzeptieren«, fügte er hinzu. Sie nickte.
»Ich kann dir dabei helfen.« »Wirklich?«
»Du willst doch drüber wegkommen, oder nicht?« »Klar.«
»Du musst sogar. Schließlich arbeitest du im Horrorhaus. Da kann dir ja nicht dauernd schlecht werden.« »Stimmt.«
»Zufällig habe ich eine todsichere Behandlungsmethode parat. Interessiert?« »Denke schon.«
»Sehr gut. Nach der Arbeit gehen wir essen und fangen damit an.« »Fangen mit was an?«
»Mit der Behandlung.« Er warf die Kippe auf den Asphalt und trat sie aus.
»Beim Abendessen?«, fragte Dana.
Er lächelte. »Wieso nicht? Wie wär’s mit dem Carriage House? Warst du schon mal da?«
»Nein, aber …«
»Es ist das beste Lokal der Stadt. Eigentlich die einzige Möglichkeit, hier ein vernünftiges Abendessen zu
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