Der Keller
zurückgehen?«
»Aber jetzt doch noch nicht. Dann verpassen wir die Seelöwen.«
»Das sind dieselben Seelöwen wie gestern Abend.«
»Aber die waren doch so niedlich. Ich will sie sehen. Nur ganz kurz, okay?«
»Klar.«
»Sie sind so süß.«
Owen folgte Monica zum anderen Ende des Piers, wo sie dem Bellen und Knurren folgten.
Im Wasser vor ihnen befanden sich Hunderte von Seelöwen. Die Schaulustigen hatten sich vor einem Holzgeländer versammelt. Monica zwängte sich zwischen sie.
»Sind sie nicht wunderbar?«
»Ja, Wahnsinn.«
Sie drückte seine Hand.
Owens Füße schmerzten, aber er beschwerte sich nicht. Er stand einfach nur da und sah sich die Seelöwen an.
Beobachtete sie.
Und beobachtete sie.
Wenn Monica die Seelöwen sehen will, dann tun wir das so lange, bis sie keine Lust mehr hat. Ich werde ihr nicht den Spaß verderben, so wie sie es andauernd mit mir macht.
Die Seelöwen schienen zu träge zum Schwimmen. Sie lagen einfach nur nebeneinander - oder übereinander - auf den zahlreichen Plattformen. Manchmal bellte einer.
Ansonsten passierte nicht viel.
Wie spannend, dachte Owen.
Ich stehe hier mit Monica und starre eine geschlagene Stunde lang diese stinklangweiligen Seelöwen an, und sie schafft es nicht einmal, mich durchs Horrorhaus zu begleiten. Das ist doch nicht fair.
»Gehen wir weiter?«, fragte sie endlich.
»Ja.«
Sie drückte seine Hand. »Wir müssen noch mal zurückkommen und sehen, was sie bei Tageslicht machen«, sagte sie.
»Gute Idee.«
»Ich könnte sie stundenlang ansehen, du auch?«
»Das haben wir doch gerade getan, oder nicht?«
Monica warf den Kopf zurück und lachte bellend. »Ach Owie, du Dummchen.«
Auf dem Embarcadero versuchte Owen weiterhin, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Er war bestimmt nicht der Einzige, dem die Füße wehtaten. Auf dem Gehweg drängten sich Pärchen und Familien, die zu ihren Hotels und Autos an der Fisherman’s Wharf zurückkehrten. Dabei mussten sie an einem Kordon aus Bettlern und Straßenkünstlern vorbei: ein Mann, der bewegungslos eine Statue imitierte; ein einsamer Saxofonist; ein Mann, der seine Beine laut einem Pappschild vor sich in Vietnam verloren hatte; ein Bongotrommel-trio; ein blinder Mann mit Hund; die unvermeidliche verkrüppelte Frau samt Baby; eine dicke Ballerina in schmutzig weißem Trikotanzug, die offensichtlich nicht mehr alle Tassen im Schrank hatte.
Owen warf ihnen nur einen flüchtigen Blick zu. Er wünschte, sie würden abhauen und die Leute in Frieden lassen.
Um ihnen zu entgehen, überquerte er mit Monica die Straße, nur um weiteren Bettlern und einem Volltrunkenen in die Arme zu laufen. Ein anderer war vor einer geschlossenen Bademodenboutique ohnmächtig geworden.
Wo man auch hingeht, dachte Owen, sie sind überall.
Endlich erreichten sie das Hotel.
Owen zog die Schuhe aus und ließ sich aufs Bett fallen.
»Nicht so schnell«, sagte Monica. »Wir brauchen noch Eis.«
Eis. Für ihr Sodawasser mit Vanillegeschmack. Monica musste unbedingt jeden Abend vor dem Schlafengehen Vanillebrause trinken.
Gestern hatten sie sich sofort nach dem Einchecken auf die Suche nach einem Sixpack gemacht und nach etwa einer Stunde auch einen gefunden.
Sie ist bereit, den ganzen Nachmittag für so etwas zu verplempern, hält es aber keine Viertelstunde im Horrorhaus aus …
Und jetzt muss ich ihr gottverdammtes Eis holen, obwohl mich meine Füße fast umbringen. Und das weiß sie ganz genau.
Owen stöhnte, setzte sich auf und schlüpfte wieder in seine Schuhe. Dann humpelte er zur Kommode, auf der der Eiskübel stand.
»Soll ich mitkommen?«, fragte Monica.
»Nein, nein. Bleib hier und ruh dich aus.«
»Hast du den Schlüssel?«
Nickend verließ er den Raum und ging zur Eismaschine, die am Ende des Korridors stand.
Niemand war zu sehen.
Owen fühlte sich, als hätte man ihm Peitschenhiebe auf die Fußsohlen verpasst. Glücklicherweise war der Teppich einigermaßen weich.
Seine Schritte waren darauf kaum zu hören.
Hinter den Türen, an denen er vorbeikam, waren Stimmen zu hören. Und Gelächter.
Zumindest die amüsieren sich.
Endlich hatte er die Eismaschine erreicht, stellte den Kübel unter den Ausgabeschacht und drückte auf den Knopf. Ratternd und scheppernd spuckte die Maschine Eiswürfel in den Eimer.
Als das Gerät verstummt war, hörte er das leise Klingeln des Aufzugs hinter sich.
Mit dem Eiskübel in der Hand drehte er sich um.
Die Tür zum Aufzug stand offen.
Niemand zu
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