Der Keller
dann …
Der Zeitpunkt, an denen ihnen die Vorräte ausgehen würden, rückte viel zu schnell näher.
Sandy wollte Eric nicht allein lassen, aber sie hatte keine andere Wahl.
Mitnehmen konnte sie ihn nicht, so viel war sicher.
Also säugte sie ihn an diesem Morgen, bis er eingeschlafen war, legte ihn vorsichtig in seine Krippe und eilte zu Harrys Lieferwagen, fuhr an Libs Auto und dem Wohnwagen vorbei und in Richtung Stadt.
Ford Platt war viel weiter weg, als sie gedacht hatte.
Es dauerte eine geschlagene Stunde, bis sie dort ankam.
Als Erstes fiel ihr das Sea Breeze Café ins Auge. Obwohl sie eigentlich schnell einkaufen und zu Eric zurückkehren wollte, sehn-te sie sich nach einem ordentlichen Frühstück mit Spiegeleiern, Speck, Kartoffelpuffern, Toast und Kaffee.
Sie hielt auf dem Schotterparkplatz, betrat das Café und …
Nein, dachte sie. Da habe ich Blaze noch nicht kennen gelernt. Erst bei meinem nächsten Besuch in der Stadt habe ich vor dem Sea Breeze angehalten. Beim ersten Mal habe ich für zweihundert Dollar Lebensmittel gekauft und bin schnurstracks nach Hause gefahren und …
Brach in Panik aus, weil ich Eric nicht finden konnte.
Schließlich habe ich ihn quietschvergnügt unter dem Bett entdeckt.
Erst zwei Wochen später hielt ich vor dem Café, um zu frühstücken.
Sie hatte ihr Frühstück nicht richtig genießen können. Zum einen musste sie dauernd an Eric denken. Zum anderen waren die sechs Dollar einschließlich Trinkgeld reine Verschwendung.
Ich muss irgendwie an Geld kommen, dachte sie.
Nur wie?
Meinen echten Namen kann ich nicht verraten, und einen falschen Ausweis habe ich auch nicht. Und selbst wenn, würde ich in diesem Nest bestimmt keinen Job für ein paar Stunden in der Woche finden.
Denn länger kann ich Eric nicht allein lassen.
Scheiße.
Eine Möglichkeit gibt es noch …
Manchmal können Männer sehr großzügig sein, wenn …
Igitt. Niemals.
Aber ich muss doch irgendetwas tun können.
Was sind meine Qualifikationen?, fragte sie sich. Sie konnte verdammt spannende Führungen durchs Horrorhaus veranstalten, was ihr hier leider überhaupt nichts nützen würde.
Außerdem würde niemand sie ohne gültigen Ausweis einstellen wollen.
Vielleicht so eine Art Freiberuflerdasein?
Putzen? Gartenarbeit? Autowäsche?
Auf der Straße betteln?
Sobald sie mit dem Frühstück fertig war, bezahlte sie und verließ niedergeschlagen das Lokal.
Sie überquerte die Straße und ging zum Strand.
Ich sollte eigentlich zum Supermarkt fahren, dachte sie.
Später. Nur ein kleiner Spaziergang.
Der Strand heiterte sie immer etwas auf. Die frische Brise, das Sonnenlicht, das stete Rauschen der Wellen und der Sand unter ihren Füßen gaben ihr ein Gefühl der Freiheit.
Sie zog Schuhe und Socken aus, um den Sand zwischen den Zehen spüren zu können.
Mir wird schon was einfallen, dachte sie.
Offenbar war sie an dem öffentlichen Strand von Fort Platt gelandet. Obwohl er nicht gerade überfüllt war, lagen doch mehrere Leute auf ihren Handtüchern ausgestreckt, um ein Sonnenbad zu nehmen, ein Nickerchen zu halten, Radio zu hören oder zu lesen. Mehrere Kinder waren im Wasser, und eine Frau scheuchte ihren Golden Retriever durch die Brandung. Jugendliche warfen sich eine Frisbeescheibe zu, und in einiger Entfernung stand ein Maler vor einer Leinwand. Sein Motiv war offenbar ein gutgebauter Mann mit Surfbrett.
Das ist es, dachte Sandy. Ich werde Künstlerin.
Oder Straßenräuberin. Der Jesse James von Fort Platt.
Bei dieser Vorstellung musste sie lächeln.
Doch dann erinnerte sie sich an Harrys Pistole in ihrer Handtasche.
Sie könnte wirklich jemanden überfallen.
Niemals. Lieber eine Hure als eine Diebin.
Was ist schon dabei, ertönte eine Stimme in ihrem Kopf. Bist dir
wohl zu fein für einen bewaffneten Raubüberfall? Du hast drei Leute umgebracht, schon vergessen? Vier, wenn man bedenkt, dass du Libs Mann die Kehle durchgeschnitten hast.
Der zählt nicht, dachte sie. Der war sowieso schon tot.
Jedenfalls bin ich noch nicht so tief gesunken, dass ich jemanden ausrauben müsste. Außerdem war es ziemlich riskant und dämlich. Dafür könnte sie im Gefängnis landen, und was würde dann mit Eric passieren?
Sie war direkt auf den Künstler und sein Modell zugegangen. Wenn sie keinen Bogen schlug, würde sie direkt zwischen den beiden hindurchlaufen. Der Mann mit dem Surfbrett stand ziemlich nah am Wasser, und Sandy würde nass werden, wenn sie versuchte, hinter ihm
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