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Der Keller

Der Keller

Titel: Der Keller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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besonders begeistert.
    »Nur für den Fall, dass wir noch Besuch kriegen.«
    »Himmel, musstest du mich daran erinnern?«
    Er strich ihr über die Wange. »Du ziehst dich an, und ich sehe nach Larry und Sandy. Einverstanden?«
    »Okay.«
    Als Jud die Tür öffnete, bedeckte sie sich mit einem Laken.
    Die Nacht war hereingebrochen. Licht schien aus den Fenstern von Bungalow Nr. 12. Jud stand neben Donnas Maverick und warf einen Blick über den Parkplatz. Aus Nr. 14 kam eine Frau mit zwei Kindern und stieg in ein Wohnmobil. Sobald sie verschwunden waren, ging Jud zu Bungalow Nr. 12 hinüber und klopfte leise an der Tür. »Ich bins, Jud«, sagte er.
    »Moment.«
    Larry öffnete die Tür. Jud sah Sandy im Schneidersitz vor dem Fernseher sitzen. Sie sah sich zu ihm um.
    »Alles klar?«
    »Bis gerade eben schon. Sie haben mir einen Mordsschreck eingejagt.«
    »Also gut. Bis später.«
    Er ging zurück zu Donnas Bungalow. Sie saß angezogen auf dem Boden zwischen den Betten und hatte das Tagebuch vor sich aufgeschlagen. Er setzte sich neben sie und zog die Automatik zu sich heran. »Alles klar«, sagte er.
    »Gut. Dann zurück zu Lilly. Wie du dich erinnern kannst, hatten sie gerade einen Bootsunfall.«
    »Ja. Sie wurden von den Wogen der Leidenschaft verschlungen.«
    »Und da bist du auf die Idee gekommen, selbst ein paar Wellen zu schlagen.«
    »Tatsächlich?«
    »So war’s.«
    Er küsste sie, und sie lächelte.
    »Schluss jetzt«, sagte sie. »Weiter im Text.«
    »Weiter im Text.«
    »Also, nach dieser ersten Nacht wurde es zu ihrer Gewohnheit, gemeinsam mit Glen ›der Leidenschaft zu frönen‹. Fast jede Nacht, wie es aussieht. Aber davon willst du sicher nichts hören, stimmt’s?«
    »Im Moment nicht unbedingt.«
    »Okay, was kommt als Nächstes …« Sie überflog mehrere Seiten. »›17. Mai: Heute schrieb ich einen Brief an Ethel, in dem ich sie zu den Hochzeitsfeierlichkeiten einlud. Ich bin voller Hoffnung, dass sie die weite Reise von Portland auf sich nehmen wird…‹« Den Rest las Donna schweigend. Jud sah, wie sie ihre Lippen zusammenpresste, während ihre Augen über die Zeilen flogen.
    »Was ist?«, fragte er.
    Ihre Blicke trafen sich. »Jetzt kommt’s«, flüsterte sie. »›18. Mai: An diesem Morgen machte ich eine höchst beunruhigende Entdeckung. Ich begab mich in den Keller, um ein Glas von jenen Äpfeln zu holen, die ich im letzten Herbst eingemacht und dort gelagert
    hatte. Im Licht der Gaslampe sah ich, dass zwei meiner Einweckgläser in Scherben auf dem Boden lagen. Ein drittes Glas war unversehrt, aber völlig geleert. Natürlich hielt ich zunächst die Jungen für die Übeltäter. Die Aufschrift auf den Gläsern jedoch besagte, dass sie Runkelrüben enthalten hatten - ein Gemüse, das beide Kinder gleichermaßen verabscheuen. Diese Entdeckung fuhr mir in Mark und Bein - bedeutete sie doch, dass ein Fremder in mein Heim eingedrungen war, dessen Absichten mir völlig unbekannt waren. Entgegen meinem Drang, den Raum eilends zu verlassen, begab ich mich daran, den Keller zu durchsuchen.
    In einer Ecke nahe der östlichen Wand - verborgen hinter einem halben Dutzend Scheffelkörben - entdeckte ich ein Loch im Lehmboden. Es war groß genug, um einem Mann oder einem Tier des Waldes Durchgang zu gewähren. Schnell floh ich mit meinen eingemachten Äpfeln aus dem Keller.
    19. Mai: Ich dachte lange darüber nach, Glen vom Besuch des Fremden zu berichten, entschied mich jedoch, ihn nicht in Kenntnis über diese Sache zu setzen. Sein Beschützerinstinkt hätte ihn wohl dazu bewogen, dem Eindringling sofort den Garaus zu machen - eine allzu strenge Maßnahme, die ich nicht dulden will. Bis dato hat der Unbekannte niemandem ein Leid zugefügt.
    Ich nahm mich persönlich der Sache an, indem ich beschloss, das Loch zu versperren. Zu diesem Behufe holte ich einen Spaten aus dem Werkzeugschuppen und ging in den Keller hinab. Zwei weitere Einmachgläser lagen völlig geleert auf dem Boden. Dieses Mal hatte sich der Eindringling an meinen Pfirsichen gütlich getan. Beim Anblick der leeren Gläser durchfuhr eine Welle des Mitgefühls mein Herz.
    Ich erkannte, dass mein Besucher nichts Böses im Schilde führte. Sein einziges Bestreben war, seinen quälenden Hunger zu lindern. Möglicherweise handelte es sich um einen unglücklichen, von der Gesellschaft verstoßenen Vagabunden. Da mir selbst weder Einsamkeit noch Furcht fremd sind, schloss ich diese leidende, verzweifelte Seele, die sich nur aus purer Not

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