Der Keller
Horrorhaus.« Sie las laut vor: »›Hor-rorhaus, Front Street 10. Angeblich Schauplatz mehrerer grausamer Morde. Das viktorianische Gebäude wurde 1902 von der Witwe des berüchtigten Banditen Lyle Thorn erbaut. Zu den Ausstellungsstücken gehören mehrere nachgestellte Mordszenen mit lebensechten Wachsfiguren der Opfer. Führungen täglich von zehn bis sechzehn Uhr. An Feiertagen geschlossen. Eintritt für Erwachsene vier Dollar, für Kinder unter zwölf zwei Dollar.‹ Vielleicht können wir dieses Haus ja besuchen, wenn wir schon mal da sind.«
»Barbie war ja ganz begeistert davon«, sagte Tyler.
»Stimmt. Billig und Unanständig.«
Tyler bemerkte einen Porsche im Rückspiegel, der auf sie zugeschossen kam. Sie hielt den Atem an, während er ausscherte und sie überholte. Mit röhrendem Motor jagte er an ihnen vorbei und verfehlte ihre Stoßstange nur um Haaresbreite, als er wieder auf ihre Spur wechselte, um einem entgegenkommenden Kombi auszuweichen.
»Arschloch«, murmelte Nora. »Porsche, Käfer und Pick-ups -man kann darauf wetten, dass immer ein Irrer hinterm Steuer sitzt.«
»Nicht zu vergessen die Lastwagen«, sagte Tyler. »Zum Glück dürfen die hier nicht fahren. Es geht doch nichts über einen eigh-teen-wheeler, der einem im Nacken sitzt.«
»Die sind wirklich gefährlich. Man sollte ein Fernfahrermuseum bauen und dort Wachsfiguren ihrer Opfer ausstellen.«
»Genau. Das Brummi-Museum.«
Sie aßen in einem Restaurant zu Mittag, von dem aus man einen schönen Blick auf die Bodega Bay hatte. Nora trank ein Dos Equiis zu ihren frittierten Muscheln. Tyler, die bei dem Gedanken an die
kurvige Strecke vor ihnen ein mulmiges Gefühl in der Magengegend hatte, erlaubte sich nur ein Glas Pepsi zu ihrem Cheesebur-ger.
»An was erinnert dich das?«, fragte sie und deutete mit dem Kinn auf die glitzernde Wasserfläche hinter dem Fenster.
»Keine Ahnung«, sagte Nora.
»Erinnerst du dich an Die Vögel?«
»Den Film?«
Sie nickte und biss in ihren Burger. Fleischsaft lief ihr Kinn hinunter und sie wischte ihn mit einer Serviette ab. »Genau«, sagte sie. »Sieh mal, da drüben. Das ist die Halbinsel, auf der Rod Taylor gewohnt hat.«
»Echt?«
»Erinnerst du dich nicht? Tippi Hedren fährt mit einem Motorboot hinüber, als sie plötzlich von diesem Vogel attackiert wird.«
»Klar. Also hier war das. Mann. Ich hab den Film bestimmt drei-oder viermal gesehen.«
»Das Schulgebäude müsste auch irgendwo hier sein.«
»Und das Bates-Motel?«
»Das ist ein anderer Film.«
»Vielleicht steht es in Malcasa Point. Aber es hat bestimmt keine fünf Sterne.«
»Es befindet sich auf dem Gelände der Universal Studios.«
»Das weiß ich auch, du Schlaumeier. Ich wollte nur einen Scherz machen.«
Als sie durch Bodega fuhren, kamen sie an einem kleinen, holzverkleideten Schulhaus vorbei. »Wetten, dass sie dort gedreht haben?«, sagte Tyler.
»Und wo ist der Spielplatz mit dieser Kletterburg?«
Tyler zuckte mit den Schultern.
»Vielleicht mussten sie sie verbrennen, nachdem die ganzen Vögel draufgeschissen hatten.«
Sie ließen Bodega hinter sich. Es dauerte nicht lange, da war Nora
eingeschlafen, die Knie gegen das Armaturenbrett gelehnt und weit im Sitz zurückgesunken. Ihr Kopf war zur Seite gerollt und ihr Mund stand offen. Auch Tyler fühlte sich etwas erschöpft. Sie kurbelte das Fenster herunter und spürte die frische Meeresbrise auf ihrem Gesicht.
Erinnerungen an die gemeinsame Zeit mit Dan stiegen in ihr auf. Sie konnte kaum glauben, dass sie ihn in ein paar Stunden wiedersehen würde.
Er hatte ein Bild von ihr auf dem Kamin stehen gehabt. Das hätte er niemals getan, wenn sie ihm nichts mehr bedeutete. Und er hatte mit Barbie über sie gesprochen.
Barbie. Ein grauenhafter Spitzname.
Er hatte sie auf eine Pizza eingeladen. Ob sie woh! …?
Tyler spürte, wie sich ihre Eingeweide verkrampften.
Nicht Barbie. Aber wieso nicht? Nur weil sie zehn Jahre älter und ziemlich dick ist? Ich war ebenfalls nicht gerade gertenschlank, und das hat ihn auch nicht gestört. Zumindest hat er sich nie beschwert.
Außerdem, was machte es schon, wenn sie eine Affäre gehabt hatten?
Ach, zum Teufel. Sie waren wahrscheinlich einfach nur Freunde gewesen.
Fünf Jahre. Eine lange Zeit, in der er wahrscheinlich eine Menge Frauen gehabt hatte. Und mit manchen von ihnen zweifellos auch ernsthafte Beziehungen.
Sie wischte die schweißnassen Hände an ihrer Kordhose ab.
Es hatte keinen Sinn, darüber
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