Der Keller
war sie ziemlich füllig gewesen. Während ihres ersten Semesters in L.A. hatte sie fast zehn Kilo abgenommen. Als hätte sie mit Dan auch ihren Appetit verloren. Und obwohl der Appetit nach einiger Zeit wieder zurückgekehrt war, hatte sie kein Problem damit, ihr Gewicht zu halten.
Sie nahm ein Nachthemd aus ihrem Koffer, doch anstatt es anzuziehen, stellte sie sich vor den Spiegel. Irgendwie war alles ein bisschen verschwommen - das lag wohl am Alkohol. Dann fuhr sie mit einem Zeigefinger über ihre Wangenknochen. Dan hatte ihre Wangenknochen nie richtig sehen können, von ihrer Taille oder den Hüftknochen ganz zu schweigen.
Sie grinste die Tyler Moran an, die er niemals zu Gesicht bekommen hatte.
Er wird ausflippen, dachte sie.
Mit einem Mal begriff sie, dass sie diesen Ausflug wirklich unternehmen würde. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals. Egal, was dabei herauskommen würde. Egal, was sie dabei durchmachen musste. Wenn sie es nicht tat, würde sie es sich ihr Leben lang vorhalten und sich niemals verzeihen, ihre zweite Chance vertan zu haben.
Das rasende Herzklopfen bereitete ihr Kopfschmerzen.
Sie zog das Nachthemd an, nahm drei Aspirin und spülte die Tabletten mit drei großen Gläsern Wasser hinunter.
Dann ging sie zu Bett.
In der Dunkelheit erinnerte sie sich daran, wie Dan Jenson ausgesehen hatte, an seine Stimme, und wie sich sein Körper angefühlt hatte. Sie fragte sich, wie sehr er sich wohl verändert hatte und wen sie morgen mit etwas Glück in Mill Valley vorfinden würde.
Am nächsten Morgen sah Tyler durch ihre Windschutzscheibe den Busbahnhof von Mill Valley und lächelte. »Der Laden da drin war die einzige Möglichkeit, sich in dieser Stadt vernünftige Bücher zu besorgen«, sagte sie. »Wenn ich einen Dollar für jede Stunde bekommen hätte, die ich dort verbracht habe, wäre ich reich.«
»Bist du nervös?«, fragte Nora und grinste sie vom Beifahrersitz aus an.
»Es geht so. Im Moment zumindest.« Sie wischte sich die schweißnassen Hände an ihrer Kordhose ab. In Wahrheit war sie der Panik nahe. Ihr Herz raste, ihr Mund war völlig ausgetrocknet, und unter ihren Achselhöhlen mussten sich gewaltige Schweißflecken gebildet haben.
»Malerisches kleines Städtchen«, sagte Nora.
»Früher war es malerischer.« Langsam fuhren sie an den fröhlich geschmückten Geschäften auf der Throckmorton Street vorbei. Zu ihrer Linken lag tiefer Wald. »Hier war mal eine Sägemühle. Und dahinter beginnt der Dipsey-Wanderpfad.«
»Ach ja, der berühmte Wanderpfad.«
Tyler bog in eine Seitenstraße ein und parkte.
»Sind wir schon da?«
»Hier ist es«, sagte Tyler. Sie holte tief Luft und atmete langsam aus. »Siehst du das Mietshaus gegenüber?«
Nora beugte sich vor und spähte aus dem Fenster. »Sehr rustikal«, sagte sie.
»Malerisch und rustikal.«
»Wirst du es schaffen?«
»Jetzt sind wir schon so weit gekommen«, sagte Tyler und versuchte tapfer zu lächeln.
»Soll ich hier auf dich warten?«
»Hast du sie noch alle?«
Sie stiegen aus dem Wagen. Tyler wartete, bis Nora ihren Pullover ausgezogen und auf den Autositz geworfen hatte. »Ist ziemlich warm«, sagte sie. Sie trug einen kurzen Hosenrock und Tennisschuhe. Ohne den Pullover war es geradezu offensichtlich, dass sie auf einen BH verzichtet hatte. Das hellblaue T-Shirt schmiegte sich eng an ihre Brüste, und ihre Brustwarzen ragten überaus deutlich hervor. Tyler wünschte, sie hätte den verdammten Pullover anbehalten, und fragte sich, ob es wirklich so eine gute Idee gewesen war, sie mitzunehmen.
Was, wenn Dan …? Nein. Das war lächerlich.
Wahrscheinlich war er sowieso schon längst umgezogen.
Sie überquerten die Straße und gingen die kleine Rampe zum Eingang des verwitterten, alten Gebäudes hinauf. Noras Brüste wippten bei jedem Schritt.
Dan würde ihr keine Beachtung schenken. Oder doch?
Selbst wenn sie ganz normal gekleidet war, zog Nora die Männer an wie das Licht die Motten. Was nicht zuletzt an ihrer Größe lag. Sie war fast eins achtzig und überragte die meisten anderen Frauen, Tyler eingeschlossen. Sie war schlank, aber nicht schlaksig. Obwohl sie ein etwas langgezogenes Gesicht und große Zähne hatte und ihr schmales Kinn nicht gerade das einer vollkommenen Schönheit war, ließen ihre strahlend blauen Augen alle Unzulänglichkeiten schnell vergessen. Außerdem wirkte ihr breiter Mund mit den vollen Lippen überaus erotisch.
Nora strahlte Sexualität förmlich aus, was nicht nur Männern
Weitere Kostenlose Bücher