Der Killer im Lorbeer
Schindeln ab? Ich habe nicht die Mittel für eine Renovierung, und selbst der günstigste Kredit käme zu teuer. Schlösser wie Sutherly sind nicht mehr zu erhalten. Allerorten verkaufen die Aristokraten ihre Burgen und leben friedlich in modernen Reihenhäusern. Manche Gemäuer werden zu Romantikhotels umgebaut, andere verfallen. Vielleicht ist Rosemarys Idee richtig, vielleicht sollten wir ausziehen. Ich stütze mich aufs Fensterbrett.
»Kommst du?«
Ich gehe ins Bad, putze die Zähne und schließe die Tür. Sie soll nicht zusehen, wie ich mit der Zahnseide hantiere.
In der Frotteebettwäsche liegen wir beisammen. Es wäre warm genug für die Frühlingsgarnitur, aber wir mögen es kuschelig winterlich bis in den Sommer.
»Schlaf schön, Arthur.« Ihr Kopf rutscht an meine Schulter.
Ihr Haar kitzelt, trotzdem bleibe ich so liegen. »Schlaf schön, meine Schwertlilie.«
»Wann musst du morgen raus?«, murmelt sie im Hinüberdämmern.
Der Gedanke an den morgendlichen Anblick meines Lorbeers ängstigt mich so lange, bis ich Rosys gleichmäßige Atemzüge höre.
Nächtliche Anrufe sind nichts Neues. Sie gehören zur Routine eines Ermittlers von Kapitalverbrechen. Rosys Bettruhe wird von den Kollegen der Bereitschaft nicht mutwillig gestört, sie alarmieren die Kommissarin nur in dringenden Fällen. Der Fall ist dringend, traurig und grotesk.
Das Telefon liegt griffbereit, meistens hat Rosy es am Ohr, bevor ich wach werde. Dann huscht sie im Nachthemd ins Bad und führt Ermittlungsgespräche auf dem Klodeckel.
Ich spüre, wie sie sich aufrichtet. »Ja?«
Das Display beleuchtet Wange und Nase. »Nein.« Sie will hoch. Ein Knie auf dem Bett, verharrt sie. »Gehört? Nicht das Geringste.« Sie dreht sich um, als ob jemand in der Tür steht. »Das ist unmöglich.«
Sie läuft am Bad vorbei, vier Stufen ins Wohnzimmer. In meine Ecke mit dem Arbeitstisch. Sie öffnet das Fenster, nicht rücksichtsvoll, sie reißt es auf. Langsam, wie ein Untoter, richte ich mich auf und lausche.
»Ich sehe euch«, höre ich. Tappende Schritte auf dem Naturstein. »In zwei Minuten.«
Etwas ist anders, außergewöhnlich. Rosy kommt zurück.
»Was ist denn?«
Sie macht Licht. »Zieh dich bitte an.« Keine souveränen Handgriffe, fahrig greift sie zur Unterwäsche.
»Wieso ich?«
»Sie kommen vielleicht herauf.«
»Wer?«
Sie schiebt das Haar aus dem Gesicht. »Bitte, Arthur.« Die Schwertlilie kennt keinen Widerspruch.
Ohne mich mit den Boxershorts aufzuhalten, steige ich in die Latzhose.
Rosy kämpft mit dem Büstenhalter. »Sie haben Mrs Lancaster gefunden.«
»Gefunden. Heißt das –?«
»Tot.« Das blaue T-Shirt.
»Was wollen sie dann hier?«
»Sie haben sie vor deiner Haustür gefunden.« Rosys Gesicht taucht in der Kopföffnung auf.
Ich starre die Frau im blauen Kreis an. »Das ist unmöglich.«
»Das habe ich ihnen auch gesagt.«
»Tot – wie?«
»Gestürzt. Mehr wissen sie noch nicht.« Sie schließt die Gürtelschnalle.
»Wir hätten irgendetwas hören müssen.«
Ein Blick auf den Wecker, die Leuchtziffern zeigen 02:40 Uhr.
»Hast du etwas gehört?« Sie läuft nach drüben.
»Nein.« Barfuß erreiche ich das Fenster. Alles wäre wie gewohnt, würde unter den Eichen nicht das Blaulicht blinken. Es zuckt über die Schlossmauer. Funkverkehr knistert. »Da kommt ein Wagen.«
»Das ist die Technik.« Rosy bindet den linken Schuh.
»Soll ich Frühstück machen?«
»Kaffee wäre gut.«
Da stehe ich, Latzhose, kein Hemd, barfuß. Mechanisch schraube ich das Espressokännchen auf, betrachte die Teile, es ist zu klein. Ich hole die große Kanne aus der Kammer. Die Geräusche am Fuß der Treppe werden lauter.
Das ist mein Haus, mein Grundstück. Mir ist schrecklich klar, dass es sich um keinen Unfall handelt. Auf Sutherly wurde ein Verbrechen begangen. Das letzte Mal geschah das, soweit ich weiß, 1867. Ein Bruderzwist im Hause Escroyne, einer der Brüder erblindete nach einem Messerstich. Der andere floh ins Ausland. Damals dürften die Police Officer in Uniform hier oben gewesen sein, vielleicht trug der Kommissar Gehrock und einen Bowler. Höflich fragte er die Lordschaften, wer wem aus welchem Grund ein Messer ins Auge gejagt habe. Untersuchungen innerhalb der Aristokratie gab es selten. Kam es zur Anklage, beriefen sich die Earls auf ihr Recht, vor den Peers des Oberhauses gehört zu werden.
Meine Finger sind gefühllos, ich habe die Kanne zu lange unter kaltem Wasser ausgespült. Ich will mich
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