Der Kimber 1. Buch: Ehre (German Edition)
können, war glücklich, dass er sich nun wieder als unangefoc h tener König seines Volkes fühlen konnte. Agnar war bis auf einige Pre l lungen unverletzt. Lediglich Gunthro hatte rechts unterhalb des Nabels eine schmale Stic h wunde, die aber fast nicht blutete. Doch noch in derselben Nacht musste er sich heftig überg e ben, seine Körpertemperatur stieg, und in den frühen Morgenstunden hatte er bereits hohes Fieber. Man brachte den Kranken weit an den Rand des L a gers, um den Lärm der Feierlichkeiten von ihm fernz u halten und schickte nach einer Pri e sterin, die in Hei l kunst erfahren war. Nachdem sie ihn untersucht hatte, braute sie ihm einen Trank aus Mistelkraut, Weidenri n de und getrockneten Fledermäusen, von dem man dem Kranken stün d lich einige Schlucke einfl ö ßen sollte. Trotz oder vielleicht auch wegen dieser Medikation fing Gu n thro an im Fieber zu phantasieren.
Das Schwert, das ihm die kleine unbedeutende Stic h wunde unterhalb des Nabels beigebracht ha t te, hatte den Darm perforiert. Dessen Inhalt floss langsam in die Bauchhöhle des Thronfolgers. Sein Bauch schwoll z u sehends, er begann laut um Hilfe zu rufen. Sein Rufen steigerte sich zu wildem G e brüll, man zwängte ihm ein Hol z scheit zwischen die Zähne, um zu verhindern, dass er sich vor Schme r zen die Zunge zerbiss. Die Bauchd e cke verfärbte sich bla u schwarz, und aus der Wunde presste sich ein dünnes Rinnsal, schle i mig graugelb in der Farbe und von brechreizerr e gendem, jauchigem Gestank. Die Haut am Bauch löste sich in handgroßen Fe t zen. Bald verebbte das Geschrei zu einem gleic h bleibenden Wimmern. Gunthro starb, ohne das B e wusstsein wiedererlangt zu haben.
Er hinterließ zwei Gattinnen und drei Töchter. Obwohl ihm als Kronprinz eine fürstliche Beerd i gung zugesta n den hätte, legten die grausigen U m stände seines Todes ein sichereres Vorg e hen nahe. Um zu verhindern, dass er als Widergänger den Überlebende Schaden zufügen konnte, musste seine Leiche gefesselt und mit Steinen beschwert im Fluss versenkt werden, wo sie zwischen den erschlagenen Römern versank. Agnar hatte als o berster Priester die Leitung der Zeremonie zu übe r nehmen.
Tagelang waren die Mitglieder der Familie von Gunthros schrecklichem Tod wie versteinert. Nur lan g sam drang die Nachricht zu den Kriegern und von da zum restlichen Tross durch. Die Feiern wurden eing e stellt. Eine drückende Atmosphäre senkte sich auf das Lager. Gespräche wurden nur noch in halblautem Ton geführt, und wenn Kinder zu toben begannen, wurden sie streng zurechtg e wiesen. Das Volk der Kimbern hatte den Nachfo l ger auf den Thron des Königs verl o ren.
Bojord hatte sich in sein Zelt zurückgezogen und allen untersagt, sich auch nur der Umgebung zu nähern. Tagelang saß er in brütendem Schweigen. Die Krise, der er sich nun gegenüber sah, war noch schlimmer als die vor über zwanzig Jahren, als es so aussah, als ob es keinen Nachfolger für das Amt des obersten Priesters geben würde. Jetzt war die Thronfolge unte r brochen, und kein weiterer Sohn war geboren worden, der die Lücke füllen konnte.
Der Fluch schien auch auf Gunthro gelastet zu h a ben, auch er hatte in den Jahren seiner Ehe keinen Sohn gezeugt noch auch einen unehelichen, soweit Bojord informiert war. Er hätte j e den beliebigen Bankert mit offenen Armen aufgenommen, um die Dynastie zu retten. So wie er damals den seltsamen weißen Knaben in seine Arme geschlossen hatte, um die Linie der Priester nicht abreißen zu lassen. Der Junge war ihm damals wie ein Geschenk der Götter e r schienen, wenn er auch später doch immer wieder heimliche Zweifel an seiner Vaterschaft g e hegt hatte. Zu fremdartig und verschlossen schien ihm sein seltsamer Sohn. Inzw i schen alle r dings entwickelten die Züge Agnars eine sprechende Ähnlichkeit zu den seinen, und auch in Agnars W e sen meinte Bojord doch mehr Verwandtes erke n nen zu können.
Ein Gedanke drängte sich in sein Gehirn. Er schob ihn beiseite, denn er war zu neu, zu ung e wöhnlich. Aber wenn er es genau bedachte - es war vielleicht der einz i ge Weg aus dem D i lemma. Ein riskanter Weg natürlich, aber durchsetzbar. Er beschloss, den Plan erst mehrere Tage reifen zu lassen und ihn auf seine Tragfähigkeit zu überprüfen.
Eine Woche später war er schließlich völlig übe r zeugt, dass er den Ausweg gefunden hatte, und ließ Agnar zu sich kommen.
Agnar hatte eine fürchterliche Zeit hinter sich. Er zwe i felte
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