Der Kimber 1. Buch: Ehre (German Edition)
wi e der einen Würfel angefasst. Er hatte solide g e heiratet und war seither ein respektables Mitglied des röm i schen Mittelstandes. Ni e mand hätte gez ö gert, ihn einen zufriedenen und ausgeglichenen Mann zu nennen, aber tief in ihm lebte eine Unr u he fort . Die Erlebnisse der Reise verfolgten ihn in se i ne Träume, die Hinric h tung im Moor, die Abende im Langhaus des Königs, der Frühling, der dem Hu n gerwinter g e folgt war. Er kon n te das Gefühl nicht loswerden, dass das alles noch nicht zu Ende war, dass irgendetwas noch nachfolgen würde. Und zu alledem warf er sich tief im Inneren vor , dass er sich falsch verhalten hatte. Er hatte sich als Bo t schafter ausgegeben und sich die Freundschaft di e ser Me n schen irgendwie erschwindelt. Er hatte das Spiel nicht kons e quent zu Ende g e spielt, sondern das Unterpfand der Freundschaft, den ekligen Ke s sel, kurzerhand im Moor ve r senkt, als er die Al b träume nicht mehr aushalten konnte. Er hatte ganze Abe n de lang von se i ner Heimat geschwärmt und die nachdenklichen Blicke seiner Gastgeber geno s sen.
Seine Befürchtungen schienen wahr zu werden, als zum ersten mal vor zehn Jahren von dem Einfall der gr o ßen, bleichen Kelten aus dem Norden die Rede war, doch er tröstete sich damit, dass es ta u send verschied e ne Völkerschaften sein konnten und es sich nicht zwi n gend um „seine“ Barbaren ha n deln musste. Als man ihn jedoch vor einige Wochen zu dem Gefangenen geführt hatte, konnte er sich der Wahrheit nicht länger verschließen. Niemals wäre ihm nach all den Jahren noch ein Satz in der barbarischen Sprache gelungen, doch die derben Beschimpfungen des Gefangenen ha t te er erstaunl i cherweise problemlos verstanden. Ihm war, als zöge jemand den Boden unter seinen Füßen weg. Jetzt würde sein Schwindel von damals auffli e gen, jetzt würde er sich für seine Hochstapeleien zu rech t fe r tigen haben. Wie unter Schock gestand er, dass er die Sprache des Barbaren verstand. Hinterher ä r gerte er sich, er hätte besser alles abgestritten, doch dazu hatte er zu lange mit den belastenden Erinn e rungen g e lebt.
In den Wochen nach dieser Begegnung wurden seine Albträume häufiger und lebendiger: er träu m te v on scharfem Klopfen an der Tür. Davon, dass er die Tür öffnete und in der Gasse dahinter eine u n übersehbare Schar an Barbaren sah, die ihn mit ihren blassen Augen neugierig musterten. Sie seien zu Besuch da, erklä r ten sie ihm, und sie wollten sich jene wundervolle Stadt ans e hen, von der er so viel erzählt hätte. Marcus e r wachte schweißgebadet. Die G e wissheit, für den Zug der Kelten veran t wortlich zu sein, nahm in ihm gerad e zu zwanghafte Formen an. Und ebenso sicher war er sich, dass er mit dem Versenken des Kessels eine frie d liche L ö sung verhindert hatte. In Wahrheit war er, Marcus Crispinus, für den Tod tausender römischer Legi o näre verantwortlich. U n ter dem zunehmende Druck seines Schuldgefühls hatte er einen En t schluss gefasst: er musste die Mi s sion, die er vor dreißig Jahren verraten hatte, jetzt auf eig e ne Faust zu Ende bringen, er musste den Frieden zwischen den beiden Völkern herbeiführen und dem Morden ein Ende machen. Dann könnte er endlich nachts wieder in R u he schlafen und tagsüber seine wu n dervollen Bernste i ne verkaufen. Und so machte er noch einen Anlauf.
„Die Ehre des Königs und seiner Familie ist der Schlüssel zur Beherrschung dieser Menschen. Ihr müsst nur diesen einen Mann beherrschen lernen und ihr habt alle seine Krieger.“
Achtungsvolle und zugleich nachdenkliche Stille folgte diesen Ausführungen. Saturninus vermied es, sich z u rechtzusetzen um nicht nervös zu wirken. Servilius sonnte sich in dem Gefühl, diesen Schatz gehoben zu haben, und Fimbria überlegte, wie man den Optimaten in der Nu t zung dieses Wissens z u vor kommen konnte. Auch Marius’ Verstand arbe i tete fieberhaft. Er war nicht so uneinsichtig, dass er nicht die Vorteile dieses Plans erkannt hätte, aber in erster Line sah er den en t scheidenden Nachteil in diesem Vorgehen: es konnte ohne seine Mitwi r kung auskommen. Eine Lösung auf diplomatischem W e ge würde verhindern, dass er nochmals die Gel e genheit bekäme, seine außergewöh n lichen Beg a bungen auf militärischem Gebiet einzuse t zen, und eine weitere Gelegenheit würde so schnell nicht wieder kommen. Das wäre das Ende seiner ruh m reichen, aber dann leider kurzen Karriere. Gerade jetzt, wo ihn der Triumphzug
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