Der Kimber 1. Buch: Ehre (German Edition)
zusammen.“
Fufius raffte sich noch einmal auf.
„Ich glaube, du bist immer noch besoffen. Wenn dich jemand erkennt, hast du ein ganz großes Pr o blem. Dann kannst du gleich in der Truppe anhe u ern, ein bürgerliches Leben ist dann für dich vorbei. Als Scha u spieler verlierst du deine Ehrenrechte. Keine Ehre n rechte, keine Lau f bahn.“
„Wer soll mich denn erkennen? Wir schleichen uns durch den Hintereingang, und auf der Bü h ne trage ich sowieso eine Maske. Ich glaube, dass das ganze ein Riesenspaß wird.“
Da niemandem eine bessere Lösung einfiel, waren alle einverstanden, und zwei Stunden sp ä ter mac h ten sie sich auf den Weg ins Theater.
Das Schauspiel begann, und diesmal war das Haus mangels kämpferischer Konkurrenz voll besetzt. Lucius machte seine Sache nicht schlecht, obwohl er sich durch die Maske nicht w e nig behindert füh l te. Egal ob der Gang der Handlung es verlangte oder nicht, es hielt sich i m mer einer der anderen Schauspieler in seiner Nähe auf um ihn unauffällig in die richtige Ric h tung zu leiten oder ihm mit dem Text auszuhelfen. Das Spiel näherte sich seinem dramat i schen Höhepunkt. Die Szene, die seit W o chen in Rom für Furore sorgte und die Zuschauer zu Tränenströmen hinriss. Der Geist des ermord e ten und noch unbegrabenen Polydorus e r scheint seiner Mutter Iliona im Traum und fleht sie an, se i nen Leichnam zu bestatten:
Mater te appello, tu quae curam somno suspenso levas,
neque te mei miseret: surge, et sepeli natum….
Lucius lag also seit geraumer Zeit allein auf einem R u hebett inmitten der Bühne, und Polyd o rus e r schien in weiße Tücher gehüllt am hinteren Rand der Bühne und ließ sein „mater te a p pello“ erscha l len. Daraufhin hätte Iliona sich zögernd und wie von schweren Träumen befangen vom Lager erh e ben sollen und damit das Ze i chen zum Fortfahren geben müssen. Jedoch diesmal passierte nichts. Iliona schlief weiter. Der Wein vom Vorabend hatte Lucius umgewo r fen, als er für einige Minuten auf dem Ruhebett gelegen hatte. Lauter e r schallte das „mater te appello“, mit dem gleichen E r folg. Ein dritter Versuch, etwas ungehalten im Ton, aber immer noch gefasst, sorgte für ein Raunen im P u blikum. Erste leise Lacher waren zu hören. Caten i us verlor langsam die Nerven, sein vierter Versuch erklang in deutlichem Befehlston, jedoch ebenfalls ohne E r gebnis. Schließlich stapfte er wutentbrannt zu dem R u hebett, zerrte Lucius an seinem Umhang hoch, schü t telte ihn und schrie: „mater te appello, te appello, te appello zu Donnerwetter noch mal“, so laut, dass ihm fast die Stimmbänder gerissen wären. Das Publ i kum brüllte vor Lachen, und schließlich erwachte die u n glückliche Iliona dann doch noch und zog sich um Orientierung ringend die Maske vom Gesicht.
Einige Studenten des römischen- und Provinzia l rechts, honorige Söhne honoriger Bürger, erkan n ten ihn s o fort: „ Das ist doch Sulla!“
Der Ruf pflanzte sich fort, die Zuschauer lachten und leckten sich die Lippen vor Freude, Ze u gen eines so delikaten Skandals zu sein. Man genoss es schon jetzt, die nächsten Wochen lang als Auge n zeuge seinen B e richt des Gesehenen wiederholen zu können: „ Ja, weist du mein Lieber. Als der Knabe dann endlich doch se i nen Rausch ausgeschlafen hatte und sich auch noch die Maske von Kopf riss, was meinst du was wir zu sehen bekamen? Du wirst es nicht glauben - den jungen Sulla! Ja, genau den Schnösel, der immer mit seinen Reitkün s ten auf dem Marsfeld so großtut. Mein Sohn hat mir e r zählt, dass er auch in den Studien sich wer weiß was auf seine Kenntnisse einbildet und sich schon für den größten Redner hält. Na, da r aus wird nun wohl nichts mehr werden. Diesem Früchtchen ist ja wohl in meh r facher Hinsicht die Maske vom G e sicht gerissen wo r den. Pflegt dieser missratene Adelsspross nicht nur U m gang mit diesem Scha u spielerpack, sondern gibt sich auch noch dazu her selbst aufzutreten. Da sieht man mal wieder, wie wenig diese alten Patrizier heute noch hervorbri n gen. Jahrhu n dertlange Dekadenz, mein Lieber.“ Ein wahrer Genuss also und Gesprächsstoff auf Wochen hinaus.
Die Reaktion seines Vaters war noch viel schli m mer, als Lucius es befürchtet hatte. Der alte Sulla tobte, und es hätte nicht viel gefehlt, dann hätte er seinen erwac h senen Sohn geohrfeigt. Lucius wurde erst jetzt so ric h tig klar, wie viel Hoffnungen sein Vater in ihn gesetzt hatte. All die Jahre des
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