Der Kimber 1. Buch: Ehre (German Edition)
Ve r zichts und des Sparens, die Ehe mit der charakte r lich völlig unterschiedlichen L i via, die kein Erfolg werden konnte. Und vor allem die enttäuschten Hoffnungen, dass sein Sohn, dieser Sohn, in den er soviel investiert hatte, den Namen der Familie zu neuem Glanz führen würde. Es zerriss Lucius das Herz, seinen Vater derart aufgebracht zu sehen. Es gab keine Möglichkeit die Vorfälle ungeschehen zu machen, er war ruiniert. In aufrechter Haltung und ohne ein Wort zu seiner Verteidigung einzuwerfen, ließ er den Zorn seines Vaters über sich ergehen.
Die nächsten Tage verliefen in eisigem Schweigen und ohne eine Perspektive, wie die Familie weiter zusa m menleben sollte. Die Entscheidung fiel schließlich, als eine der Sklavinnen der Livia dem alten Sulla hinte r brachte, dass seine Ehefrau seit geraumer Zeit in das Doppelleben des Sohnes ei n geweiht gewesen war. Die Ehe wurde geschieden, das Haus verkauft, und der Vater kehrte mit seinem Koch und den plüschigen blauen Speiseliegen auf sein Gut am Fuße der Sabine r berge zurück, fün f zehn Jahre, nachdem sie als kleine Familie mit ein i gen Sklaven und klapprigem Inventar nach Rom gezogen waren. Livia kehrte in das Haus ihres V a ters z u rück, und Lucius fand sich mit seinen wen i gen Habseligkeiten auf der Straße. Nur wenige W o chen später erreichte ihn die Nachricht, dass sein Vater gestorben war. Eine Aussöhnung war nicht z u stande gekommen. Das Gut wurde ze r schlagen, Möbel und Sklaven verkauft, der Erlös reichte gerade hin, die Schulden zu begleichen.
Lucius fand Unterschlupf bei Metrobius und b e gann, seine Habseligkeiten zu Geld zu machen. Er veransta l tete Gelage und Festlichkeiten, bis das letzte Stück, das er von zu Hause mitg e nommen hatte, den Weg zum Trödler gefunden hatte. Ve r geblich versuchte Metrob i us ihn zurückzuhalten, doch seine Sucht nach Vergn ü gungen nahm ger a dezu zerstörerische Züge an. Als sein Freund ihn zum wiederholten Male mit jugendlichen Prostit u ierten beiderlei G e schlechts in seinem Bett ang e troffen hatte, setzte er ihn vor die Tür. Für seine alten Tuniken mit Purpurbesatz bekam Lucius noch eine kleine Summe, mit der er sich im obersten Stoc k werk einer Insula einquartieren konnte.
Das Haus stand am Fuße des Aventin und war vor allem von Neuankömmlingen aus den verarmten Pr o vinzen bewohnt. Niemand wohnte gerne in dem hel l hörigen, billigen Bau, einem Mietshaus von der schlechtesten Sorte. Für jeden der Bewohner war dies ein Übergang, alle hofften auf eine Verbess e rung ihrer Lebensumstände. Schlimmer konnte es auch kaum we r den, die Räume waren überfüllt, das Gemäuer feucht. Unrat und Kot wurden einfach aus dem Fenster gekippt und sammelten sich bis zum nächsten Rege n guss in stinkenden Haufen rund um das Haus. Eine Garküche im Erdgeschoss sorgte mit altem Fett für zusätzlichen Gestank, und der Lärm, den die betrunk e nen Gäste verursachten, ging unter in dem Gepolter und G e dröhn der nachts vorbeifahrenden Fuhrwerke.
Lucius war es einerlei, er war nachts ohnehin nie zu Hause. Seine Berühmtheit verschaffte ihm Einl a dungen in Hülle und Fülle, da alle Nichtstuer Roms es liebten, sich mit seiner Bekanntschaft zu brüsten. Seine Anw e senheit galt geradezu als Garant für den Erfolg eines Abends, sein Aussehen und seine g e schliffenen Mani e ren verschafften ihm nach wie vor zahlreiche Bewu n derer, nicht zu reden von dem morbiden Charme eines gescheiterten Hochadligen. Nachdem er gegen Mittag in irgendwelchen fre m den Betten aufgewacht war, b e suchte er das öffen t liche Bad und legte sich dann in seinem Zimmer in der Insula auf ein Polster auf dem Fußboden – mehr als das und einen Krug, den er im Hof mit Wasser füllen konnte, gab es auch nicht.
Am späten Nachmittag ging er dann zu den Ställen am Marsfeld. Das war die einzige Verbi n dung zu seinem früheren Leben und seine tägliche Buße. Hier wurde ihm vor Augen geführt was er war und was er hätte sein können. Sein Hengst hieß zwar immer noch Ve n tus, jedoch war es bereits der dritte seit seiner Ankunft in Rom. Auch dieser Ventus war ein hervorrage n der Spross des väterlichen Gestüts, das trotz seiner ers t klassigen Zucht nie ein fina n zieller Erfolg gewesen war. All die Verzweiflung, die er sonst tief in sich verschloss, lebte er aus, wenn er den Hengst gesattelt hatte und auf das Feld galoppierte. Er war gefürchtet, und nicht w e nige verließen das Trainingsgelände, wenn sie
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