Der Kimber 2. Buch: Rache (German Edition)
die Motivation oder den Mut, die Umstürzler aufzuhalten.
Je länger Lucius grübelte, umso sicherer wurde er sich, dass er zurück nach Rom musste. Er musste eine Mö g lichkeit finden, sich Mithridates zumindest für eine Weile vom Halse zu halten.
Lucius kannte die Geisteshaltung dieser Despoten gut genug. Harte und demütigende Bedingungen würden sie nur umso schneller wieder auf das Schlachtfeld zurüc k treiben, sei es um die Schmach abzuwaschen oder auch um sich den Forderungen der Sieger zu entziehen. Um wenigstens eine Weile Ruhe zu haben, musste er dem König ein akzep t ables Angebot machen. Rom musste zwar ganz klar als Sieger erkennbar sein, aber Mithridates sollte mit seinem Verhandlung s geschick glänzen können. Bei all diesen Überlegungen hatte er allerdings noch nicht berücksichtigt, wo der Lohn für seine Legionen he r kommen sollte. Die Legionäre hatten sich tapfer geschl a gen und rechneten nun natürlich mit einem Anteil an der zu e r wartenden Beute. Was aber, wenn die Beute nicht fett sein konnte weil man den Unte r legenen nicht mit Reparationen demütigen durfte? Dann würde man sich eben wo anders bedienen müssen. Immerhin waren gr o ße Teile Kleinasiens freiwillig zu Mithridates übergela u fen und konnten so mit Fug und Recht als Verräter am römischen Staat gelten. Das musste bestraft und ein E x empel statuiert werden. Hier konnte man die Summen auspressen, die die L e gionäre zufrieden stellen würden.
Lucius klopfte seinen Plan in Gedanken ab. Er konnte keine schwache Stelle entdecken. Die einzige Unwägba r keit bestand darin, wie lange Mithridates wohl Ruhe g e ben würde. Aber das war ihm im Moment einerlei. Die Hauptsache für ihn war, dass er das U n ternehmen hier in Asien erst einmal zu einem wenn auch vorläufigen Ende bringen konnte. Lucius war sich jetzt sicher, seine En t scheidung war gefallen. Schon morgen würde er die U n terhändler des Mithridates vorladen. Lucius stand auf und wanderte durch sein Zelt. Ohne es sich wirklich ei n zugestehen, wusste er, dass er nicht mehr lange die Ene r gie aufbringen würde, diesen Kampf in Asien weiterz u führen. Er war ein Sohn Roms, und seine wahre Leide n schaft zog ihn do r thin zurück. Er vermisste die Stadt, das Forum, die Tempel und die The r men. Der Gedanke quälte ihn, dass das alles in der Hand seiner Gegner war, während er in diesem Krieg hier festsaß, für den er sich immer weniger begeistern konnte. Zu allem Überfluss fühlte er sich in letzter Zeit müde und au s gelaugt. Er spürte zwar, dass er immer noch mehr Ene r gie besaß als die meisten Menschen seiner Umgebung, aber dieses klare und schneidende Durchsetzungsve r mögen, wie er es in den letzten Jahren in Rom in sich gewusst hatte, konnte er im Moment einfach nicht aufbringen. Er mus s te nach Hause, um sich selbst wieder an die Quellen se i ner Kraft zu bri n gen, er musste zurück nach Rom.
Neben seinem Lager hielt er inne. Seine Finger streiche l ten über die edel geschwungene Linie, die der Körper des uralten Torsos bildete. Vom Halsgrübchen über die Brust und durch die Mitte der wundervoll propo r tionierten Bauchmuskeln bis zum Ansatz des Schamhaars. Lucius hatte darauf bestanden, den geborstenen Apollo in se i nem Zelt mit sich zu führen. Er wusste, dass seine B e gleiter wenig Verständnis für seine Vorliebe aufbri n gen konnten, handelte es sich doch nur um das Bruc h stück einer alten Statue. Kopf, Arme und Beine fehlten, und das, was übrig war, war durch die Jahrhunderte die da r über hinweggegangen waren auch noch zerkratzt und verwittert, so als wäre der Körper von Narben gezeic h net. Lucius konnte sich nicht von dem Stück tre n nen, das ihm lieber war als die besterhaltenen, glanzvollsten Stat u en neuerer Zeit, die die anderen Offiziere für sich rese r viert ha t ten. Müde senkte er seinen Kopf und barg seine Stirn an der kühlen Halsbeuge des Torsos.
Die Menschen im Hause wunderten sich und waren brüskiert, mit welcher Regelmäßigkeit Agnar sein bisher i ges Leben fortführte. Alle hatten immer den Eindruck gehabt, als stünden sich der Dichter und der Barbar auf rührende Weise nahe, doch jetzt schien es so, betrachtete man das Verhalten des Hausherrn, als hätte es den Phil o sophen nie geg e ben. Im Gegenteil, das Leben in dem kleinen Haushalt schien sogar noch gerege l ter abzulaufen als bisher. Agnar stand früh auf und ging zur Therme, um dem Andrang der späteren Stunden zuvor zu ko m men. Danach
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