Der Kimber 2. Buch: Rache (German Edition)
wendeten. Doch Lucius hatte sich ein Feldzeichen gegriffen, sich auf seinem Ross aufgerichtet und seinen Soldaten zug e rufen: „Wenn einer, ihr Römer, danach fragen sollte, wo ihr euren eigenen Fel d herrn im Stich gelassen habt, dann sagt: bei O r chomenos, während er kämpfte.“
Dann war er, nach seiner bewährten Manier, allein gegen die feindlichen Linien galoppiert. Und wie damals bei der Schlacht von Cirta oder vor Rom hatte niemand die Schande auf sich nehmen wollen, ihn in den Tod reiten zu lassen. Sein Beispiel hatte zunächst die R e iterei, dann alle übrigen mitgerissen. Die Schlacht wurde für Rom entschieden.
Das alles war in der Hauptstadt an den entsche i denden Stellen bekannt, obwohl man dort versuchte, ein Durc h dringen in die breite Bevölkerung zu verhindern. Cinna und sein Mitkonsul Valerius Flacculus, den Cinna natü r lich selbst ernannt hatte, hatten die Notwendi g keiten erkannt. Zur Sicherung des eigenen Machta n spruchs war es nun unbedingt notwendig, Sullas Erfolge in Grieche n land zu stoppen, um sich selbst einen Teil am Krieg s ruhm zu sichern. So klug und taktierend Cinna in seinen bisherigen Aktionen gewesen war, hier wäre es für ihn besser gewesen, wenn er den alten Fuchs Marius noch an seiner Seite gehabt hätte. Denn Cinna ve r stand leider genauso wenig von Legionären und Kriegen wie sein Mitkonsul Flacculus. Dieser war mit genau zwei Legi o nen ausgezogen, um in Griechenland auf Sulla zu treffen und dessen riesiges Heer unter den eigenen B e fehl zu bringen. Doch schon bei der Überfahrt nach Kl e inasien kam es zu Meutereien. Als die Flotte Griechenland e r reicht hatte, trat genau das Gegenteil des erhofften E r folges ein, denn statt Truppen von Sullas Armee abz u spalten, liefen die beiden Legionen des Flacc u lus fast geschlossen zu Sulla über. Der unglückliche Feldherr selbst erntete keinen Kriegsruhm, sondern den Tod.
Das Lager von Lucius’ Heer war inzwischen zu einem Emigrantenstützpunkt geworden. Viele der Aristokraten, die vor dem Wüten der Marianer g e flüchtet waren, hatten bei ihm Unterschlupf gefu n den, unterstützen ihn mit ihren Fähigkeiten und Kenntnissen und ve r sorgten ihn mit Berichten über die Lage in Rom.
Es war ein Abend nach einem Tag voll ermüdender B e sprechungen gewesen, Nachschub musste orga n isiert, weiteres Vorgehen mit den Offizieren abgestimmt we r den. Als sie endlich alles Notwendige geregelt hatten, fühlte Lucius sich ausgelaugter, als wenn er einen ganzen Tag im Sattel zugebracht hätte. Er wollte niemanden mehr sehen, er wollte keine weitere Frage beantworten, und d e shalb hatte er alle Freunde und Berater aus seinem Zelt geschickt. Lucius wollte seine Gedanken für sich haben, denn im Gege n satz zu seinen Offizieren, die von ihren Erfo l gen wie berauscht waren, sah er nun die Zeit für eine Entscheidung gekommen. Zwar standen sie u n mittelbar vor einem Sieg über Mithridates, dem Verurs a cher aller Wirren hier in Klein a sien. Seit Lucullus mit einer ganzen Flotte zum Heer gestoßen war, hatte der Tyrann praktisch keine Möglichkeit mehr, den Römern ausz u weichen. Mithridates Truppen in Griechenland würden über kurz oder lang zwischen beiden Truppente i len zerrieben werden. Außerdem wusste L u cius durch verschiedene Spione aus den umkäm p ften Gebieten, dass das Ansehen des Mithridates in der Bevölkerung Klei n asiens im Sinken begriffen war. Je mehr Fortuna sich den Römern zuzuneigen schien, umso weniger Interesse ha t ten seine A n hänger in Griechenland daran, ihn weiter zu unte r stützen. Doch Lucius sah die Lage nicht ganz so optimistisch, wie sie seinen Beratern e r schien. Auch wenn sie demnächst einen Sieg über Mithridates erringen konnten, so wäre es doch unwahrschei n lich, dass sie den König selbst in die Hände bekämen. Dieser würde sich in sein riesiges Reich zurückziehen, seine Truppen aufst o cken und wohl innerhalb kürzester Zeit wieder für neue Schwieri g keiten sorgen. Und während Lucius sich hier in einen unabsehbaren Kampf ve r stricken ließe, würden die Marianer Rom selbst im Würgegriff behalten, die jah r hundertealte Ordnung mit Füßen treten und das Imper i um nach ihren Interessen und nach ihrem Gu t dünken umgestalten. Wie weit sie schon gekommen waren, wu r de Lucius laufend berichtet, sogar der Senat hatte sich mit der fa k tischen Alleinherrschaft des Cinna arrangiert und kooperierte. Niemand, der jetzt gerade in der Haup t stadt war, hatte die Mittel,
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